Das brandneue Testament Belgien, Frankreich, Luxemburg 2015 – 113min.
Filmkritik
Rebellion gegen Gott
Wer immer schon wissen wollte, warum ein Marmeladenbrot stets auf die Marmeladenseite fällt, findet in Jaco Van Dormaels jüngstem Spielfilm eine ebenso einfache wie amüsante Erklärung: Gott will uns ärgern!
Der Allmächtige (Benoît Poelvoorde) lebt mitten unter uns. Genauer gesagt in einer Hochhauswohnung in Brüssel. Die Menschen hat er bloß deshalb erschaffen, um sie mit kleinen und großen Gemeinheiten zu überschütten. Als Schaltzentrale dient dem übellaunigen Weltenlenker ein muffiges Büro, in dem er tagein, tagaus Gebote und böse Scherze in einen alten Computer tippt. Zu leiden hat unter seiner Tyrannenherrschaft auch die eigene Familie. Irgendwann wird es Tochter Ea (Pili Groyne) allerdings zu bunt, und sie beschließt kurzerhand, ihrem Vater die Stirn zu bieten und sich auf die Suche nach neuen Aposteln zu machen. Ihr Abenteuer beginnt mit einem äußerst perfiden Sabotageakt. Immerhin knackt das kleine Mädchen die Datei mit den Todesdaten und informiert jeden Menschen per Kurznachricht, wie lange er noch zu leben hat.
Originell, schräg und provokant – so lässt sich die Prämisse von Le tout nouveau testament wohl am besten beschreiben. Wann, bitteschön, hat man Gott in einem Film zuletzt als herrischen Pascha im Morgenmantel gesehen? Benoît Poelvoorde verkörpert den alles andere als gütigen Vater mit großem Eifer und kann trotz oder gerade wegen seiner Widerlichkeit einige der witzigsten Momente auf sich vereinen. Etwa wenn der Allmächtige einen zunächst hilfsbereiten Priester mit abfälligen Äußerungen derart aus der Fassung bringt, dass es zu einer handfesten Auseinandersetzung kommt. Rückblickend hätte Van Dormael (Mr. Nobody) dem rüpelhaften Schöpfer sogar ein wenig mehr Leinwandzeit schenken können, da seine Auftritte immer wieder ordentlich Schwung ins bunte Treiben bringen.
Zahlreiche abgedrehte Ideen stecken allerdings auch im Hauptstrang des Films, den der Regisseur und sein Koautor Thomas Gunzig um die aufgeweckte Ea stricken. Mutig und gewitzt stellt sie sich der Willkür ihres Vaters entgegen und versucht, mithilfe des Clochards Victor (Marco Lorenzini), ein neues Testament zu schreiben, das auf die Kraft der Liebe vertraut. Sechs zum Teil äußerst skurrile Menschen (unter anderem verkörpert von Catherine Deneuve und François Damiens) spielen darin die Hauptrollen. Einzelgänger, Suchende und Unzufriedene, die durch Eas Eingreifen unerwartet Hoffnung erfahren und neue Perspektiven erkennen. Visuell tobt sich Van Dormael dabei vielleicht einen Tick zu sehr aus. Der Situationskomik und der lebensbejahenden Botschaft tun die vielen optischen Spielereien aber gewiss keinen Abbruch.
Dein Film-Rating
Kommentare
Eine fantasievolle und stimmige Geschichte rund um einen zynischen Gott und eine aufmüpfige Tochter, die gut unterhält und zugleich auch zum Nachdenken anregt. Der Film bietet viel schwarzen Humor, einen tollen Soundtrack und eine Vielfalt an interessanten und skurrilen Figuren. :-)
Mal frech, mal surreal, mal witzig, dann wieder traumhaft schön... bis auf einige Abnützungserscheinungen kurz vor Schluss funktioniert die Formel von "Le tout nouveau testament"!
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung