Madame Marguerite oder Die Kunst der schiefen Töne Frankreich 2015 – 127min.
Filmkritik
Lug, Trug und ein Traum
Baronin Marguerite Dumont schmettert Arien herzhaft, aber falsch vor erlesenen Gästen. Sie ist felsenfest von sich und ihrem Gesang überzeugt und bringt es in den Zwanzigerjahren bis zu einem Konzert in Paris. Xavier Giannolis tragikomisches Porträt einer ungewöhnlichen Frau beruht auf wahren Begebenheiten.
Man traut seinen Ohren nicht - so schräg, so falsch, so unerhört kann man doch nicht singen! Aber Baronesse Marguerite Dumont (Catherine Frot) schmettert Arien in ihrem Salon mit Inbrunst und ist felsenfest von ihrer Stimme überzeugt. Niemand bremst sie, auch ihr Mann, Baron Georges (André Marcon) kann sie nicht vom Weg abbringen. Er drückt sich. Die erlesene Gästeschar applaudiert der Diva, macht sich aber heimlich über die Gesangsambitionen Marguerites lustig. Auch die junge hochbegabte, ahnungslose Sängerin Hazel (Christa Théret), die an einer Soirée teilnimmt, schweigt, und Journalist Lucien (Sylvain Dieuaide) lobt Marguerite in höchsten Tönen. Ironie oder Lug und Trug?
Der treue schwarze Diener Madelbos (Denis Mpunga) steht unerschütterlich zu seiner Herrin und drängt den eitlen Opernstar Atos Pezzini (Michel Fau) massiv dazu, Marguerite zu unterrichten. Und der undurchsichtige Schreiberling Lucien lockt die Sängerin wider besseren Wissens nach Paris, wo sie an einer dubiosen Veranstaltung die «Marseilles» singen soll. Der Auftritt wird zum Politskandal, und die selbsternannte Diva landet in der Gefängniszelle für eine Nacht. Doch unbeirrt verfolgt Marguerite ihr Ziel, ein Konzert in Paris zu geben. Tatsächlich, Paris ist gespannt und will die «krächzende Baronesse» singen hören.
Für Marguerite gibt es ein historisches Vorbild: Die amerikanische Millionenerbin Florence Foster Jenkins war von sich und ihrer Stimme überzeugt. 1944 mietete sie den Hauptsaal in der New Yorker Carnegie Hall, sang ihre Mozart-Arien und andere unerschütterlich falsch. Die Kritiken waren vernichtend, sie starb kurz danach - glücklich. Der Pariser Xavier Giannoli hat sich dieser Frauengestalt angenommen und verlegte ihre Geschichte in die wilden Zwanzigerjahre. In seinem Porträt geht es weniger um den Zeitgeist, sondern um eine «verblendete» Frau, die an sich und ihre (erdachten, erwünschten) Fähigkeiten felsenfest glaubt, um Lug und Trug und Selbstüberschätzung, nicht zuletzt um Leidenschaft, die zur Obsession wird.
Meisterhaft verkörpert Catherine Frot diese tragische Figur geradezu meisterlich. Ihre Stimme musste teilweise gedoubelt werden, um die richtigen falschen Töne zu treffen. Der Spielfilm beschreibt auch, wie trügerisch Applaus und falsch eine Gesellschaft sein können. In letzter Konsequenz zeigt Marguerite, wie Wahnvorstellungen in die Irre, sprich in die Zerstörung führen können. Ein sorgfältig gestalteter Kostümfilm zwischen Melodram und komischer Tragödie.
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