Midnight Special USA 2015 – 112min.
Filmkritik
Anders sein
Am Anfang spiegelte das Kino sich selbst: Hail, Cesar von den Coen-Brüdern – eine Komödie mit nostalgischem Blick auf das Goldene Zeitalter von Hollywood – eröffnete die diesjährige Berlinale. Mit Midnight Special präsentierte die Traumfabrik nun im Wettbewerb ihren aktuellen Status Quo.
Der elfjährige Alton ist ein besonderer Junge. In den Augen einer Gruppe religiöser Fanatiker, in der Alton einige Jahre lebte, ist er der Erlöser, für die Regierung ist er eine unerklärliche Waffe. Alton und seine Familie wissen nicht, was er ist. Doch weil so viele Leute an dem Jungen interessiert sind, tut sein Vater Roy alles, um ihn zu beschützen. Zusammen mit seinem Kumpel Lucas will er Alton an einen sicheren Ort bringen, doch sowohl die Sekte, als auch die Staatsgewalt sind ihnen dicht auf den Fersen. Und so beginnt eine Flucht mit unbekanntem Ziel.
Der amerikanische Regisseur Jeff Nichols ist ein Sonderling in Hollywood. Auf den ersten Blick scheinen seine Filme typische Blockbusterregeln zu erfüllen, aber dann durchbricht er stets die Konventionen. Immer wieder unterläuft er Erwartungshaltungen seitens der Zuschauer und verhandelt zusätzlich, en passant, existenzielle Themen wie Glaube, Macht und Liebe. So handelt sein Drama Take Shelter von einem Familienvater, der von eigenartigen Visionen heimgesucht wird und deshalb einen Katastrophenbunker für seine Familie baut. Die Bedrohung ist dabei aber nie konkret, sondern wird stets in der Schwebe gelassen.
Für Midnight Special nimmt Nichols ähnliche Motive und baut diesmal daraus einen Sci-Fi-Thriller. Auch hier muss sich die Kleinfamilie gegen die Bedrohung von außen behaupten, in diesem Fall ist es die Gesellschaft. Klar ist auch: Der Junge ist anders. Seine Augen verbirgt er hinter einer Schwimmbrille, er verlässt das Haus nur nachts und immer wieder passieren aufgrund seiner Anwesenheit übersinnliche Phänomene.
Nichols erzählt seinen Film als beklemmendes Katz-und-Maus-Spiel in der nächtlichen Ödnis der Vorstädte. Glücklicherweise ist er nicht versucht, eine atemlose Treibjagd zu inszenieren, sondern erlaubt seinen Figuren immer wieder, zur Ruhe zu kommen und streut (vor allem in den Szenen mit Star-Wars-Neuling Adam Driver als NSA-Agent) eine wohldosierte Prise Humor ein. Überhaupt sind es die feinen, abwegigen Nuancen in der Erzählhaltung und das minimale Verlagern des Fokus' innerhalb des klassischen Hollywoodkinos, die Midnight Special so besonders machen. Hier ist der Zuschauer nicht nur reiner Konsument, er muss selbst seine eigene Interpretation finden, denn statt einer wirklichen Erklärung bleibt auch hier am Ende eine Leerstelle. Und das ist für Hollywood doch etwas Besonderes.
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