Princess Shaw Israel 2016 – 80min.
Filmkritik
Aschenputtel 2.0
Ein israelischer Musikproduzent nimmt sich einer mittellosen amerikanischen Laiensängerin an und gestaltet ihre Lieder aus. Von all dem weiss sie lange nichts.
Im April 2005 sorgte eine neue Seite namens YouTube.com für eine Zäsur im Web. Nun konnte jeder seine Clips der ganzen Welt zur Ansicht präsentieren. Einher ging damit auch eine ganz neue Art der Selbst-Exponierung, die mit der Erfindung des Smartphones noch weiter befeuert wurde.
Den Platz vor der Kamera hat auch die in New Orleans ansässige Samantha Montgomery gewählt. Als Pflegehelferin arbeitend, reicht ihr Lohn mit Ach und Krach zum Überleben. Kraft findet sie in der Musik: Montgomery komponiert ihre eigenen Songs und singt sie als Princess Shaw auf YouTube einer Community vor, die praktisch nicht existent ist. Eine tiefe dreistellige Klickzahl ist das höchste aller Gefühle.
Einer jedoch, der zuhört, ist Ophir Kutiel a.k.a. Kutiman. Der israelische Musiker hat ein Projekt namens «Thru You» ins Leben gerufen, in dem er verschiedenste instrumentale und gesangliche Clips von Laienmusikern zu Songs zusammenfügt. Kutiman ist von den A-capella-Liedern Montgomerys höchst angetan und bekommt gleichzeitig die Lebensgeschichte einer Frau mit, die auf YouTube auch abseits der Liedform Katharsis betreibt.
Entsprechend konzentriert sich die Doku Princess Shaw vorerst auf Montgomery und ihr Umfeld. Nach Israel verlagert sich der Film nur in kurzen Einschüben. Meist sieht man dann einen Kutiman am Computer oder in seinem Haus – rauchend, komponierend, beobachtend. Ein sanfter trumanshowischer Eindruck entsteht dabei, ist die «Protagonistin» Montgomery doch ahnungslos darüber, was sich da 11'000 Kilometer entfernt anbahnt. Erst eine Mail mit dem fertigen Video wird sie aus ihrer Unwissenheit reissen.
Gewiss steigert diese Konstellation den Reiz des Dok-Films, wirft aber auch die Frage auf, unter welchem Vorwand der Regisseur Ido Haar Montgomery zu filmen anfing. Dokumentarfilm-Puristen werden den Kopf schütteln und abermals auf die formellen Regeln des Genres pochen, die ein Michael Moore oder ein Ulrich Seidl schon in den Neunziger-Jahren konsequent aufgeweicht haben.
Die Ehrlichkeit dieser Doku ist dank ihrer unverfälschten Hauptperson jedoch unabsprechbar. Das Wunder, das hier passiert, fühlt sich wahr und aufrichtig an. Davon zeugt nicht zuletzt der Mut Montgomerys, sich derart zu offenbaren, wobei dieser durchaus auch von Naivität zeugt. Und als sich dann dieses digitale Märchen nicht bloss zu erfüllen scheint, sondern auch ins analoge, reale umschwenkt, bleibt der Film glücklicherweise gänzlich frei vom Kitsch einer Sendung wie «Happy Day».
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