Victoria Deutschland 2015 – 136min.
Filmkritik
Atemlos durch die Nacht
Die junge Spanierin Victoria trifft im spätnächtlichen Berlin auf ein cooles Männerquartett. Man albert herum, amüsiert sich. Doch im Morgengrauen geraten die Nachtschwärmer in eine hochexplosive Situation und dann ist fertig lustig. Davon erzählt mitreissend der Film von Sebastian Schipper. Er hat ihn in Echtzeit, in einer einzigen Kameraeinstellung ohne Schnitt gedreht. Und er präsentiert ein beherzt auftrumpfendes Schauspiel-Ensemble.
Victoria (Laia Costa) kommt aus Madrid und kellnert. Im Ausgang ist sie allein unterwegs, weil sie noch kaum jemanden kennt. Vor einem Klub laufen ihr ein paar Kerle über den Weg, die ihr prompt den Hof machen: Sonne, Boxer, Fuss und Blinker. Man zieht um die Häuser, frotzelt radebrechend auf Englisch und Deutsch. Victoria ist happy, weil die Jungs zwar schräg drauf sind, aber Esprit haben.
Nach dem Abstecher auf das Dach eines Wohnhauses geht's zum noch geschlossenen Kaffee, wo Victoria jobbt. Sie flirtet heftig mit Sonne (Frederick Lau), doch Boxer drängt zum Aufbruch: Er hat einen Termin mit einem gewissen Andi (André M. Hennicke), der ihn im Knast protegierte und nun eine Gegenleistung einfordert: Boxer soll mit den Kumpeln subito eine Bank überfallen, Victoria das geklaute Fluchtauto chauffieren. Bei der chaotischen Befehlsausgabe in einer Tiefgarage wird bereits klar, dass die zugedröhnte Clique die Arschkarte gezogen hat.
Ein Script von 12 Seiten bildete die Basis für dieses verrückte Filmprojekt von 140 Minuten Länge, das dreimal in einer Einstellung, ohne Schnitt gedreht wurde. An einem frühen Morgen im April 2014 war die finale Fassung im Kasten. Viele Statisten, sechs Regie-Assistenten und drei Ton-Equipen kamen zum Einsatz, man improvisierte, für Kameramann Sturla Brandth Grǿvlen war das Experiment eine Parforceleistung par excellence.
Doch nicht der formale Wahnsinn allein macht die Sogwirkung von Victoria aus: Als Regisseur erregte Sebastian Schipper mit seinen ersten Filmen Absolute Giganten und Ein Freund von mir Aufsehen und als ausgebildeter Schauspieler (Lola rennt, The English Patient) kennt er alle Tricks, um Darsteller fiebrig-heiss zu machen: Die spanische Bühnen- und Filmactrice Laia Costa begeistert mit ihrer Natürlichkeit. Frederick Lau (Deutscher Filmpreisträger für Die Welle) packt als Sonne sein stupendes Knautschgesicht-Repertoire aus. Und der Tänzer Franz Rogowski (Auftritte am Thalia Theater Hamburg oder an der Schaubühne Berlin) ist als durchgeknallter Boxer eine Wucht.
Also aufgemerkt: Victoria ist junges, vibrierendes "Atemlos-durch-die-Nacht-Achterbahn-Kino". Da schaut man gebannt zu, vom ersten Bild bis zum Showdown, so melancholisch wie ein Western.
Dein Film-Rating
Kommentare
Für mich ein typischer Fernsehfilm (das Geld für den Kinobesuch wäre nicht so toll investiert). Die Geschichte ist zwar interessant, aber als ganzes ist der Film recht langweilig.
Frage: Ist die Kamera genau so nervös wie bei Birdman, sprich aus der Hand gefilmt??
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