CH.FILM

Calabria Schweiz 2016 – 117min.

Filmkritik

Mit einer Leiche durch Italien

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Die Doku Calabria begleitet zwei Bestatter bei der Überführung einer Leiche nach Italien. Der langsame, ruhig erzählte Film lebt von seinen sympathischen, gegensätzlichen Hauptfiguren. Ein wenig mehr Kompaktheit und Mut bei der Kürzung von Szenen hätten ihm aber gutgetan. Ein Leichenwagen auf dem Weg von der Schweiz nach Kalabrien: Darin befördern die beiden Bestatter Jovan, ein Serbe, und der Portugiese José, einen verstorbenen italienischen Immigranten in sein Heimatdorf. Die 1600 Kilometer lange Fahrt der beiden lebensfrohen Optimisten ist geprägt von heiteren Begegnungen und tiefgehenden Gesprächen.Inszeniert wurde die Dokumentation vom Schweizer Pierre-Francois Sauter, der damit nach Face au juge (2009) seinen zweiten Film vorlegt. In den letzten Jahren war er vor allem als Maler tätig. Sauter begleitete seine beiden Protagonisten während der kompletten Reise, vom Start in der Schweiz bis ins kleine kalabresische Bauerndorf.Sauter wählt einen interessanten Ansatz für sein Porträt seiner beiden gegensätzlichen Figuren. Die meiste Zeit des Films nimmt die lange Fahrt im Auto ein. Dabei wird der Zuschauer innerhalb des Leichenwagens zu einem eigenen Bestandteil im Mikrokosmos um José und Jovan. Sauter platzierte die Kamera im Auto unter der Frontscheibe, immer starr auf die zwei Bestatter gerichtet. Von der Welt draußen – der Umgebung und den Menschen mit denen Sie sprechen – bekommt man nur wenig bis gar nichts mit. Dadurch entsteht Unmittelbarkeit und der Zuschauer kommt Jovan und José und ihrem Gefühlsleben besonders nahe.Ein weiterer Reiz ergibt sich aus der Unterschiedlichkeit der Zwei. Jovan, der früher Berufsmusiker war, ist eher der emotionale, spirituelle Typ, der an die ewige Liebe glaubt. José, der schweigsame Rationalist, ist oft in sich gekehrt und lässt lieber Jovan reden – oder singen, denn Jovans Leidenschaft für Musik ist ein ständiger Begleiter. Josés Mimik verrät ihn jedoch häufig und es wird klar, was er gerade denkt. Dies führt immer wieder auch zu heiteren, unterhaltsamen Momenten und lockert den Film auf. Leider ist dieser an manchen Stellen zu langatmig geraten. So gibt es Szenen, die schier endlos wirken, keinen Mehrwert für den Film haben und daher eher unnötig sind. Etwa wenn Jovan bei der Arbeit gezeigt wird und ihn die Kamera eine gefühlte Ewigkeit beim Kehren der Räumlichkeiten beobachtet – ohne Schnitt und Perspektivwechsel. An anderer Stelle sieht man die Zwei im Auto, während Jovan ein Lied anstimmt. Fast drei Minuten dauert die ermüdende Szene. Hier wäre weniger mehr gewesen. Insgesamt wäre der fast 120-minütige Film runder und gepackter, wenn man sich in solchen Szenen auf das Wesentliche beschränkt oder sie komplett entfernt hätte.

03.04.2024

3

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