Gute Tage Schweiz 2017 – 99min.
Filmkritik
Der tägliche Kampf ums Glück
Urs Graf porträtiert in Gute Tage fünf Künstler, die alle unter einer schweren Krankheit leiden – und deshalb neue Formen des künstlerischen Ausdrucks finden müssen. Es entstehen Momente der Trauer und der Verzweiflung, aber auch Augenblicke des Glücks und der Hoffnung. Ein mutiger Film, der sich ganz auf seine Protagonisten einlässt.Unter den Porträtierten befinden sich u.a. die Malerin Cristina Fessler, der Maler und Radierer Boris Mlosch sowie Plastiker Daniel Pestel, der seit einer Gehirnblutung halbseitig gelähmt ist. Gute Tage begleitet die fünf Künstler bei ihren teils mühevollen Versuchen, der geliebten Arbeit weiterhin nachzugehen. Regisseur Urs Graf konnte sich gut in seine Künstlerkollegen hineinversetzen. Graf ist zum einen auf vielfältige Weise selbst künstlerisch tätig. Und: durch eine eigene Erkrankung, selbst bei seiner Arbeit eingeschränkt. Für „Gute Tage“ begleitete er die Porträtierten über drei Jahre. Die Äußerung von Cristina Fessler, sie melde sich wieder bei ihm wenn sie einen „guten Tag“ habe, brachte Graf auf Idee für den Filmtitel. Ihre Arbeit stellte für die fünf Künstler die Möglichkeit dar, Intimes nach außen zu kehren und das eigene Emotionsleben auszudrücken. Was tun, wenn einem diese Möglichkeiten allmählich abhandenkommen? Und gibt es vielleicht noch andere Formen des künstlerischen Ausdrucks? Diesen Fragestellungen geht Urs Graf auf sensible, nachhaltige Weise auf den Grund. Behutsam nähert er sich in einfühlsam geführten Gesprächen dem Seelenleben seiner Protagonisten. Dabei stellt er sich ganz auf die Interviewten ein, passt sich an und gewährt ihnen die nötige Zeit. Aber er schreckt auch nicht vor direkten Fragen zurück. Etwa, wie schlimm die Schmerzen aktuell sind oder wie der Arbeitsalltag früher aussah. Jeder der fünf Befragten leidet dabei auf seine Art und alle müssen einen individuellen, neuen Weg finden, der geliebten Tätigkeit nachzugehen. Die Erkrankungen reichen von Multipler Sklerose über lebensgefährlichen Lungenhochdruck bis hin zu Hirnschlägen. Einen Schwerpunkt im Film bilden die (ebenfalls sehr persönlichen) Szenen und Momente, die die Künstler beim Malen, Basteln, Kreativ sein etc., zeigen.
Dabei wechseln Augenblicke der Verzweiflung mit Momenten des Glücks oft ganz unmittelbar und innerhalb von Sekunden. Hier steht der Film ebenso ein Stück weit stellvertretend für das ganze Leben: für das Wechselspiel von Glück und Trauer sowie das (dringend notwendige) Abfinden mit der Tatsache, dass nichts von Dauer ist. Die Porträtierten sind ein herausragendes Beispiel dafür, ein schweres Schicksal anzunehmen, aber dennoch weiterhin für sein tagtägliches Glück zu kämpfen. Denn auch wenn es lediglich kleine und kurze Glücksmomente sind, lohnt der Kampf.
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