Mal de pierres Belgien, Kanada, Frankreich 2016 – 120min.
Filmkritik
Mal de pierres
Wahre Marion Cotillard-Festspiele fanden in den vergangenen Monaten auf den Schweizer Leinwänden statt: in Assassin’s Creed war die französische Oscar-Gewinnerin ebenso zu sehen wie in Xavier Dolans Juste la fin du monde und natürlich neben Brad Pitt in Allied. Nun kommt auch noch ihr vierter Film des Jahres 2016 in die Kinos. Doch Mal des pierres von Nicole Garcia haftet bereits seit der Weltpremiere beim Festival in Cannes 2016 der Ruf an, den Möglichkeiten dieser Schauspielerin nicht gerecht zu werden.
Überraschend ist es nicht, dass Cotillard die Protagonistin Gabrielle verkörpert, denn kaum jemand wird so gerne als Verkörperung des Leidens engagiert wie sie. In dieser Romanverfilmung nun, die sich viele Freiheiten gegenüber der Vorlage von Milena Agus gönnt, leidet sie an der geistigen enge der Fünfziger Jahre im ländlich-katholischen Südfrankreich – und an all den in ihr brodelnden Gefühlen, die sie nicht herauslassen kann.
Statt in die Psychiatrie stecken ihre Eltern die junge, vermeintlich schwierige und unkonventionelle Frau in eine arrangierte Ehe mit dem spanischen Saisonarbeiter José (hervorragend: Alex Brendemühl). Die grosse Liebe findet Gabrielle allerdings nicht in dieser Zweckgemeinschaft, sondern als sie wegen Nierensteinen ins Sanatorium kommt. In den Alpen erhofft sie sich vom kaum weniger leidenden Kriegsveteran André (Louis Garrel) ihr Glück, doch nach dessen plötzlicher Abreise wartet sie – inzwischen Mutter eines Sohns im idyllischen Häuschen am Meer – jahrelang vergeblich auf seine Briefe.
Der anfängliche Eindruck, Mal de pierres sei auf emanzipatorischen Pfaden unterwegs, verflüchtigt sich leider schnell. Es geht Nicole Garcia mit ihrem Film gar nicht um weibliche Selbstbestimmung, nicht um Sex und eigentlich noch nicht einmal wirklich um die Liebe. Was hier im Mittelpunkt steht, ist tatsächlich nur das Leiden an den grossen Gefühlen – und dabei entwickelt die Geschichte leider kaum mehr Tiefe als eine durchschnittliche Nicholas Sparks-Verfilmung.
Garcia weiss all das gediegen aussehen zu lassen (und hat womöglich die Handlung auch der Lavendelfelder wegen in die Provence verlegt) und versteht es als ehemalige Schauspielerin auch durchaus, ihre Darsteller einzusetzen. Doch weil das Drehbuch der Protagonistin jegliche Komplexität raubt, bleibt Cotillard angesichts der Eindimensionalität ungewohnt machtlos. Ganz zu schweigen davon, dass das Finale von Mal de pierres sowohl ihre Figur als auch den Zuschauer verrät.
Beim kommenden Cannes-Festival im Mai 2017 gehen die Cotillard-Festspiele allerdings schon wieder in die nächste Runde: da ist sie im Eröffnungsfilm Les fantômes d'Ismaël zu sehen. Und dann ist Pause angesagt. Denn nach jahrelangem Drehen am Stück, gönnt sich die Schauspielerin seit der Geburt ihres zweiten Kindes aktuell erst einmal eine Auszeit.
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