Mister Universo Österreich, Italien 2016 – 90min.
Filmkritik
Fiktive Dokumentation eines aussterbenden Lebensstils
Mister Universo ist ein Genuss für jeden Liebhaber trockenen Humors und einfacher, aber gut erzählter Geschichten. Noch so gerne lässt man sich auf diese einer reellen Lebenswelt entspringenden Fabel ein, wo launische Löwen auf Zirkusartisten, deren Alltagssorgen, Familien und Freundschaften treffen. Die Schauspieler, die sich selber spielen, allen voran Tairo Caroli, überzeugen durch ihre nonchalante Normalität und ihre erfrischende Menschlichkeit.
Die Odyssee des jungen Raubtierdompteurs Tairo, die durch die Lebenswelt von Wanderkünstlern am Rande der italienischen Gesellschaft führt, vermag einen von Beginn an in ihren Bann zu ziehen. Die einzigartige Herangehensweise der österreichischen Regisseure Tizza Covi und Rainer Frimmel, die mit ihrem letzten Feature La pivellina, für das sie mit denselben Darstellern gearbeitet hatten, mit dem Europa Cinemas Label der Directors' Fortnight von Cannes ausgezeichnet wurden, besteht darin, zunächst die Schauspieler zu casten und dann, ausgehend von deren Biographie und Lebenswelt, ein für diese massgeschneidertes Script anzufertigen. So entstand ein entwaffnend lebensnahes Roadmovie, das auf vollkommen ungezwungene Weise den Mikrokosmos des jungen Dompteurs Tairo betritt.
Der Film zeigt die Lebensrealität von Menschen, die von Berufs wegen mit dem Erstaunlichen und Aussergewöhnlichen vertraut sind. Tairos alternde Tiger und Löwen, Wendys rückenbelastendes Dasein als Schlangenfrau, der nachhallende Ruhm des einstigen Mister Universe Arthur Robin, dessen von Hand gebogene Eisenstäbe Ziel von Tairos Reise sind – sie alle sind intime Reflexionen über das Dasein und die Relativität des Normalen. Vor dem Hintergrund eines wolkenverhangenen Himmels und einer reizlosen Landschaft, reist man von Gartentisch zu Gartentisch, stapft über schlammiges Zirkusgelände, liegt neben den Protagonisten auf der bunten Bettwäsche ihrer verzierten Wohnwägen und schaut ihnen beim Ankleiden und Ausmisten der Gehege zu.
Nostalgisch, aber nie pathetisch, wirkt Mister Universo herzerwärmend und überzeugt durch einen vorzüglichen Sinn für Humor. Sei es die Löwen imitierend, seine Cousinen zurechtweisend, oder Wendy nebenbei fragend, ob sie kirchlich oder standesamtlich heiraten wolle - es ist Tairos sympathische Trockenheit, die zum Lachen bringt ohne es zu wollen. Kurios, wie nahe man sich den Protagonisten fühlt und mit welcher Ernsthaftigkeit man sich der Suche nach Tairos verschwundenem Glücksbringer anschliesst. Man findet sich in einer sehr persönlichen Welt wieder, in der die politischen und ökonomischen Umstände des Italiens der Gegenwart in den Hintergrund gerückt, aber nicht verdrängt sind. Gleich einer fiktiven Ethnographie skizziert der Film das Lebensmodell einer non-konformen, vielleicht schon bald vergessenen Berufsgruppe und zelebriert dabei die Freundschaft, die Menschlichkeit und die Vorstellungskraft. Absolut sehenswert!
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