Saint Amour Belgien, Frankreich 2016 – 101min.
Filmkritik
Von Trieben und Trauben
Das Regie-Duo Gustave Kervern und Benoît Delépine hat bereits mit Filmen wie Louise hires a Contract Killer und Mammuth unter Beweis gestellt, dass es einen skurrilen und oftmals politisch unkorrekten Humor pflegt. Doch zugleich sind ihre Filme – hinter all den überdrehten Momenten und der schrägen Dramaturgie – subtile Sozialstudien, die gesellschaftliche Missstände anprangern. Mit Saint Amour erzählen Kervern und Delépine nun von einem emotional verklemmten Vater-Sohn-Gespann und werfen dabei einen Blick auf die französische Landwirtschaft.
Die Landwirtschaftsausstellung in Paris ist für Bruno immer ein Höhepunkt des Jahres – vor allem wegen der kostenlosen Weinproben. Und so säuft er sich in der riesigen Halle quer durch Frankreichs Weinregionen, natürlich bis zum Vollrausch. Sein Vater Jean hingegen hängt, obwohl er schon längst Rentner ist, an seinen Tieren und will mit seinem Zuchtbullen einen Preis gewinnen. Doch als Bruno ihm offenbart, dass er aus dem Familienbetrieb aussteigen möchte, kommt Jean eine Idee: Mit einer echten Fahrt durch die Weinregionen Frankreichs will er seinem Junior die Schönheit der Landwirtschaft näher bringen. Spontan nimmt man sich also ein Taxi und fährt quer durch die Republik. Während ihrer Reise geraten sie in allerhand seltsame Situationen, doch je länger sie fahren, desto mehr finden sie wieder zu einander.
Die Reise ist ein wiederkehrendes Motiv in den Filmen von Kervern und Delépine, denn es entspricht ihrer Art des Erzählens: Statt kontinuierlichen Geschichten gleichen ihre Filme vielmehr einer losen Sammlung von kleinen Episoden, einer Art Sketchparade mit Rahmenhandlung. Auch Saint Amour hangelt sich von Station zu Station, stets auf der Suche nach komischen Situationen, die mal primitiv, mal albern und mal geistreich sind.
Wie der Titel des Films verrät, geht es hier nicht nur um Wein, sondern auch um die Liebe. Neben der Liebe zwischen Vater und Sohn ist natürlich die körperliche Liebe im Fokus, die sich hier, mit Blick auf das Thema Landwirtschaft, eher als primitives Urverlangen präsentiert. Es geht um Rausch und Triebe, kurz gesagt um Sex, oder vielmehr um die Abwesenheit von Sex. Denn hinter all dem männlichen Gehabe der Protagonisten stecken tief sitzende Zweifel, Angst vor der Einsamkeit und die Sehnsucht nach Geborgenheit.
Doch leider bleibt bei Saint Amour die Sozialkritik auf der Strecke, zu sehr geht es um die persönlichen Befindlichkeiten der Männer. Und so ist es zwar ein kurzweiliger und amüsanter Film geworden, der jedoch den radikalen Anarchismus früherer Werke der beiden Regisseure vermissen lässt.
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