Apfel und Vulkan – Auf der Suche nach dem was bleibt Schweiz 2017 – 81min.
Filmkritik
Sich dem Leben und dem Tod stellen
Zwei Frauen, zwei Leben, die mit dem Tod konfrontiert werden. Die Filmerin Nathalie Oestreicher aus Baden begleitet ihre Freundin Fabienne, die todkrank ist. Beide sind auf der Suche nach dem, was bleibt. Ein sehr persönliches Filmessay über das Vergangene und das Unausweichliche.
Oft sind es nur Kleinigkeiten, die hängenbleiben, an denen aber mehr hängt, als man glaubt. Ein Ort, ein Bild, ein Baum oder auch ein Möbelstück. Ein altes Sofa kann manche Erinnerungen bergen. Die Filmerin Nathalie Oestreicher hat sich vorgenommen, so ein altes zerschlissenes Möbelstück zu erneuern, quasi zu sanieren. Dabei stösst sie auf Sachen aus Kindertagen, etwa auf Fussballfaltbildchen aus den Achtzigerjahren. Sammelobjekte ihres Halbbruders Philipp, dem das Sofa einst gehörte.
Erinnerungen tauchen schemenhaft auf, an ihre Kindheit, an Bäume, die ihr Vater, der Alkoholiker, für die Familie pflanzte. Nur einer steht noch, der Apfelbaum. Der schwierige Vater starb an einem Herzinfarkt, der Halbbruder Philipp nahm sich das Leben. Er litt an Depressionen, die Nathalie nicht wahrgenommen hatte. Ungestellte Fragen um ihren Bruder stellt sie sich jetzt. Den vagen Erinnerungen will sie auf die Spur kommen und macht sich mit dem Freund ihres Bruders zu jenem Berg auf, wo Philipp 1992 starb. Und sie wird wohl auch den Vulkan in Italien aufsuchen, den das Geschwisterpaar einst besteigen wollte.
Erinnerungen sind das gemeinsame Thema für die Filmerin und ihre Freundin Fabienne, die unheilbar an Brustkrebs erkrankt ist. Ihre Sorge gilt den Töchtern Anne, siebeneinhalb Jahre, und Zoe, vier Jahre alt. Was kann sie ihnen jetzt mitgeben, welche Erinnerungen kann sie pflanzen, wie würden die Mädchen mit dem Verlust umgehen? Ursprünglich wollte sich Nathalie Oestreicher in ihrem Film mit dem Muttersein auseinandersetzen, mit ihrem eigenem und dem von Fabienne. Doch dann drängten sich existentielle Fragen immer stärker in den Vordergrund – über Verlust und Vergessen, über den Tod und das Leben danach für die Überlebenden.
Es sei nur zu wenigen Drehtagen mit Fabienne Roth, Künstlerin und Mutter, gekommen, berichtete die Regisseurin. Ihre Gedanken, Fragen, Zweifel setzen starke Akzente. Trotz Wehmut und Schmerz ist der Film kein Abgesang aufs Leben, sondern ein intimes Essay über die Kraft der Erinnerung in der Gegenwart. Manche schemenhafte Bilder verdichten sich, werden wahr. «Auf der Suche nach dem, was bleibt» – so der Filmuntertitel – schlägt die Brücke zwischen Erinnerungen und Leben, wobei der Vulkan, Sinnbild für Sehnsucht, stärker scheint als der Apfelbaum, der verdorren kann.
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