Dilili à Paris Frankreich 2017 – 95min.
Filmkritik
Rassismus und Frauenfeindlichkeit für Kinder
Ein französischer Zeichentrickfilm von Michel Ocelot («Kiriku und die Zauberin»), der ein junges Mädchen aus der Südsee im Paris der Belle Époque auf die Suche nach einer Bande von Mädchenentführern schickt. Ein gut gemeintes, ambitioniertes Projekt, von dem man sich jedoch fragt, welches Publikum es ansprechen will.
Dilili ist ein junges, gemischtrassiges Mädchen aus Neukaledonien, einer französischen Kolonie im Südpazifik, das sich am Anfang des 20. Jahrhunderts als blinder Passagier auf ein Schiff nach Europa schleicht. Im Paris der Belle Époque angekommen, arbeitet sie als Attraktion in einer lebendigen Ausstellung über exotische Völker. Als sie den Botenjungen Orel kennenlernt, stellt sie dieser seinen berühmten Kunden wie dem Maler Henri de Toulouse-Lautrec, dem Bildhauer Auguste Rodin, dem Doktor Louis Pasteur oder der Opernsängerin Emma Calvé vor, die Dilili und Orel hilft, das Geheimnis der entführten Mädchen von Paris aufzudecken.
Der Franzose Michel Ocelot ist im übersättigten Markt der Trickfilm-Produzenten einer der wenigen unabhängigen Filmemacher. Für «Dilili à Paris» benutzte er bearbeitete Versionen seiner eigenen Fotos als Hintergründe, um das weniger bevölkerte Paris zur Zeit der Belle Époque darzustellen, was zu opulenten Darstellungen von Pariser Salons und realistischen Szenen von Quartieren wie dem Montmartre oder dem Eifelturm bei Sonnenuntergang führt. Im starken Kontrast dazu stehen die flachen, fett kolorierten Menschen mit nur leicht angedeuteten Gesichtszügen. Dililis Freund Orel zum Beispiel könnte direkt einem Patrick Nagel Poster der 80er Jahre entsprungen sein. Ihre etwas ausdruckslosen Gesichter erinnern an die Animation früher Computerspiele.
Dilili ist eine aussergewöhnliche Protagonistin. Ein junges Mädchen, das sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlt, weil ihre Haut als zu hell oder als zu dunkel gilt, je nach dem, wo sie sich geografisch befindet. Nichts desto trotz oder gerade deswegen macht sie sich auf, die weite Welt zu sehen. Umso tragischer ist die Tatsache, dass sie in Paris zur Touristenattraktion verkommt und wie ein Tier im Zoo angestarrt wird. Aber Dilili lässt sich nicht beirren. Sie ist eloquent und höflich, ein Kind voller Mut und Angstlosigkeit und als Orel der Lieferjunge ihr mit seinem Fahrrad die Stadt zeigen will, nimmt sie freudig an.
Hier verstrickt sich der Film aber in zwei verschiedene Geschichten. Dilili und Orel versuchen, das Geheimnis der entführten Mädchen von Paris zu lösen. Dieser Strang führt zu einem sehr dunkeln Krimi, der Themen wie Chauvinismus und Frauenfeindlichkeit abhandelt, die, wenn auch spannend, für Kinder schwer verständlich oder sogar traumatisch sein könnten. Anderseits treffen die beiden auf ihrer Reise durch die Stadt auf unzählige französische Künstler der Belle Époque, die einer nach dem andern abgehandelt werden, als würden wir von einem Schulfilm über französische Kulturgeschichte belehrt. Von Marie Curie über Marcel Proust bis zu Claude Debussy paradieren sie durch «Dilili à Paris», ohne zum Verlauf der Geschichte beizutragen.
«Dilili à Paris» hat zwar gute Ansätze und Ocelot beweist viel Liebe zum Detail, wenn er Dilili im legendären Moulin Rouge Nachtclub an der Seite des Malers Henri de Toulouse-Lautrec die Cancan-Tänzerinnen beobachten lässt. Aber sein Versuch, Frauenfeindlichkeit, Rassismus und eine Lektion in Kulturgeschichte zu einem kindergerechten Abenteuer zu vermischen, ist gescheitert. Der Film hat in Frankreich erstaunlicherweise den César für den besten Trickfilm gewonnen, aber vielleicht hatte er wenig Konkurrenz oder die Auszeichnung war eher als eine Ehrung des Gesamtwerks des 77-jährigen in Frankreich sehr beliebten Filmemachers gedacht.
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung