Jeune femme Belgien, Frankreich 2017 – 97min.
Filmkritik
Running Wild in Paris
Léonor Serraille begleitet eine junge Frau durch die Turbulenzen nach einer langjährigen Trennung. Ihr tragikomisches Drama lebt vor allem vom starken Spiel von Hauptdarstellerin Laetitia Dosch.
Paula – von Laetitia Dosch sensationell, nämlich unbekümmert ungehemmt und stürmisch gespielt, so wie man es von Greta Gerwig in Francis Ha, von Sally Poppins in Happy-Go-Lucky kennt – diese Paula also ist faszinierend anders als andere. Sie ist mit ihrem roten Haar, ihrem einen blauen, dem anderen braunen Auge unbestritten attraktiv, sodass man versteht, dass sich ein Fotograf, wie ihr bisheriger Freund, in sie vernarrt. Sie ist in ihrer Präsenz aber auch intensiv und reagiert impulsiv. Das gereicht ihr nicht nur zum Vorteil, weil sie bisweilen derart ausser sich gerät, dass sie sich verletzt. So wie an diesem Abend, an dem sie ihr Freund nach zehn Jahren vor die Tür setzt.
Die Gründe für die Trennung erfährt man nicht, dass Paulas Situation schwierig ist, allerdings schon: Sie hat in der Beziehung mit dem gut zehn Jahre älteren Mann, der ursprünglich an der Kunstschule ihr Dozent war, den Kontakt zu ihrer Familie und ihren Freunden verloren und in dieser Nacht in ganz Paris niemanden, der sie tröstet, und keinen Ort, an dem sie unterschlüpfen kann. So randaliert sie vor Joachims Wohnung, bis sie zusammenbricht und in der Notaufnahme landet. Von wo sie – nicht ohne einen rostroten Mantel mitlaufen zu lassen – baldmöglichst abhaut. Sie geht, als Joachim abwesend ist, in die Wohnung, holt ihre Kleider, persönlichen Utensilien und seine Katze, zieht vorerst in ein Hotel, stromert durch die Strassen. Alsbald findet sie einen Job als Kindermädchen, zieht in der Mansarde ihrer Arbeitgeberin. Nach einer Weile kommt ein zweiter Job in einem Dessous-Geschäft dazu. Paula macht neue Bekanntschaften, sucht den Kontakt zu ihrer Mutter, überlegt wieder zu studieren und durchläuft damit die nach einer Trennung an sich üblichen Stadien.
Doch Paula ist anders als andere. Sie reagiert impulsiv, stösst Mitmenschen vor den Kopf. Und als eine fremde Frau in ihr eine aus den Augen verlorene Freundin zu erkennen meint, spielt Paula so lange mit, bis die Wahrheit den schmerzhaften Verlust einer zärtlichen Beziehung bedeutet. Eine Figur wir Paula ist eine grosse Herausforderung. Laetitia Dosch meistert den schauspielerischen Teil souverän, ihre Paula ist liebenswert, ihre Emotionalität wirkt spontan und echt. Nicht ganz so spontan, sondern mit sichtlichem Willen zum Stil durchdacht, kommt dagegen die Inszenierung daher. Was dem Vergnügen an diesem tragikomischen Drama keinen Abbruch tut – aber den Film doch einen leichten Touch von l’art pour l’art verpasst.
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