On the Seventh Day USA 2017 – 97min.

Filmkritik

En el séptimo día

Filmkritik: Dominic Schmid

Auf den ersten Blick geht es in Jim McKays En el séptimo día um nicht gerade viel. Und doch handelt das im Wettbewerb von Locarno gezeigte Independent-Drama, das über mehrere Jahre in der mexikanischen Community Brooklyns gedreht wurde, eigentlich fast von allem.

Josés Team „Pueblas“ hat gerade den Halbfinal im lokalen Parkfussball-Turnier gewonnen, am nächsten Sonntag geht es um den Sieg. Da verlangt plötzlich der Chef des mexikanischen Restaurants, in dem er sich als Fahrradkurier verdingt, an eben jenem Sonntag seinen Einsatz anlässlich einer privaten Party – obwohl dies in Regel sein einziger freier Tag in der Woche ist. José ist hin und hergerissen: Erscheint er nicht zur Arbeit, droht er seinen Job zu verlieren, könnte es sich in der Folge nicht leisten, seine im dritten Monat schwangere Frau in Mexiko zu besuchen und nach New York zu holen, damit sein Nachwuchs automatisch den amerikanischen Pass erhalten würde – den Pass, der ihm als illegalem Einwanderer so schmerzlich fehlt und ihn zwingt, dieser ausbeuterischen Arbeit überhaupt erst nachzugehen. Ähnlich schmerzlich ist allerdings die Alternative: ohne ihn als bestem Spieler hat sein Team kaum Chancen, den Final tatsächlich zu gewinnen. Sein Fernbleiben käme einem Verrat an der kleinen Gemeinschaft gleich, die im Zentrum von Josés wirtschaftlich bedingtem Exil steht. Man wohnt zusammen, arbeitet zusammen, hilft sich gegenseitig aus – und spielt eben futból.

Der Film, strukturiert anhand der sechs Tage, während derer José mit seiner Entscheidung ringt, ein liebevolles Porträt einer Gemeinschaft, die gleichzeitig am Rand und im Zentrum der modernen urbanen amerikanischen Gesellschaft steht, stellt sich mit allem Nachdruck und Trotz gegen das von Trump und anderen Idioten beschworene Bild der Mexikaner und Lateinamerikaner als „bad hombres“. McKay, eine Art moderner Neorealist, arbeitet ausschliesslich mit Laiendarstellern, dafür mit Humor und einem präzisen Sinn dafür, wie diese kleine Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft funktioniert. Die Tatsache, dass José Fahrradkurier ist, verleiht dem Film ein unaufgeregtes Tempo und macht es zugleich möglich, einen Blick auf die verschiedensten Facetten und sozialen Sphären zu werfen, die das kulturell diverse Brooklyn ausmachen. Da ist das mexikanische Restaurant, in dem José arbeitet, dessen Chef es zwar gut meint, über seine Angestellten aber wie über Sklaven verfügt, sie bei kleinsten Vergehen entlässt, weil es eben so viele gibt, die nachrücken können. Da wird die Arroganz der Gewinner des gentrifizierten Brooklyns sichtbar, etwa im Hipster-Gemeinschaftsbüro, dessen Angestellte erst am Mittag erscheinen und sich dann bei José über das kaltgewordene Essen beklagen, das dieser mangels Abnehmer an die Tür hängen musste. Und da sind schliesslich die futból-Spiele im Park, ausgetragen vor wenigen aber hochmotivierten Zuschauern, von Spielern, die ihr mangelndes Talent mit einem Enthusiasmus und zum Schluss des Films mit einem Erfindungsreichtum wettmachen, den wohl selbst die Spieler der (selbstverständlich hochverehrten) mexikanischen Nationalmannschaft weder nötig noch drauf haben.

Dass es sich bei McKay um einen weissen Regisseur handelt, der eine Geschichte über mexikanische Einwanderer erzählt und sich bereits Vorwürfe über cultural appropriation hat anhören müssen, wird in diesem Film durch die grosse Empathie und Neugier, die er diesen entgegenbringt, mehr als wettgemacht. Und wenn am Schluss das Drama nicht allzu gross gewesen zu sein scheint und die Zukunft der Protagonisten genauso unklar ist wie zuvor, verlässt man den Film doch mit dem Eindruck einer freundschaftlichen Nähe zu ein paar Menschen, die doch kulturell und geografisch sehr weit weg sind – was im Kino durchaus selten ist.

16.08.2017

5

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