Sweet Country Australien 2017 – 90min.

Filmkritik

Ein bitteres Stück Zeitgeschichte

Irina Blum
Filmkritik: Irina Blum

Wie jedes Land hat auch Australien blinde Flecke in seiner Geschichte – der Umgang mit den Ureinwohnern des Kontinents ist einer davon. Das Drama Sweet Country nimmt sich diesem und weiteren Themen wie Skepsis gegenüber Unbekanntem und Fremdenhass an. Der Film handelt zwar in den 1920er-Jahren, kann aber auch als zeitloses Dokument gesehen werden von Geschichte, die sich immer wieder wiederholt.

Aborigine Sam Kelly (Hamilton Morris) hat es eigentlich nicht allzu schlecht getroffen: Sein Chef Fred (Sam Neill), bei dem er zusammen mit seiner Frau wohnt, pflegt einen respektvollen Umgang mit dem Ureinwohner und akzeptiert ihn – unüblich für die 1920er-Jahre in Australien – als Mensch auf gleicher Augenhöhe, weil laut ihm vor Gott alle Menschen gleich sind. Als er eines Tages aber für Freds Nachbarn Harry March (Ewen Leslie) einen Zaun errichten soll, schlägt sein Schicksal um: Harrys rohe, despektierliche und gewaltvolle Umgangsweise, die er unter anderem mit Sams Frau pflegt, bringen den sonst eher friedfertigen Mann dazu, Harry in Notwehr zu erschiessen. Ein Ureinwohner, der einen Weissen erschiesst: Ein Todesurteil zu damaligen Zeiten. Sam macht sich deshalb zusammen mit seiner Frau auf die Flucht durch das australische Outback, mit der Polizei dicht auf den Fersen.

Die Ausgangslage böte schon beinahe das Potential eines nervenzerreissenden Thrillers – Regisseur Warwick Thornton (Samson & Delilah) hat mit seinem Western aber etwas Anderes vor. Der Fokus liegt in Sweet Country dann auch weniger auf dem Dramatischen als den leisen Zwischentönen: Wenn die zusammengewürfelte und ungleiche Truppe von Männern, die auf den Aborigine Sam und seine Frau Jagd macht, abends in der Wildnis am Lagerfeuer sitzt zum Beispiel, und sich aus Langeweile gegenseitig Witze erzählt. Gepaart ist diese sich Zeit lassende Erzählweise mit wunderschönen Aufnahmen der rauen, kargen australischen Landschaft, in der sich Aborigine Sam bestens auskennt –  und dem Suchtrupp deshalb auch nicht allzu schnell einen Erfolg verschafft.

Obwohl Sweet Country mehr Western als Thriller ist, kommt die Spannung dank einigen unerwarteten Plot-Twists – auf subtile Art und Weise – aber dennoch nie zu kurz. Eine durchs Band überzeugende Besetzung sowie eine sorgfältige Figurenzeichnung sorgen dafür, dass das konsequente aber dennoch schockierende Ende nachhallt. Als Stück Zeitgeschichte, das trotz allem Grauen einen bittersüssen Nachgeschmack zu hinterlassen vermag – bitter, weil das düstere Kapitel Australiens hier sehr realistisch gezeichnet wird, süss, weil trotz allem Horror die Hoffnung in diesem Drama nie gänzlich untergeht, unterstrichen von diesen malerischen Aufnahmen der wilden australischen Natur und ihrer Bewohner.

20.02.2024

4

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