The Death of Stalin Frankreich, Grossbritannien, USA 2017 – 107min.

Filmkritik

Eine blutrote Groteske

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Im September des Jahres 2017 gab das russische Ministerium für Kultur bekannt, dass man The Death of Stalin in Russland verbieten würde. Das ist natürlich auch eine Möglichkeit, mit der eigenen Vergangenheit umzugehen. Den Galgenhumor dieses Films, mit dem ein System der Unterdrückung und der konstanten Gefahr, im Gulag zu verschwinden, porträtiert wird, mochte man in Russland wohl nicht.

Es ist das Jahr 1953: Stalin herrscht mit eiserner Hand über die Sowjetunion – auch Mitglieder seiner Regierung haben Angst, doch dann wird der alte Mann vom Schlag getroffen und stirbt. Was folgt, ist ein Machtkampf in den Reihen derer, die dem großen Genossen nachfolgen können. Während ein absoluter Schwächling der direkte Nachfolger ist, Stalins Kinder sich als Versager erweisen und innerhalb Moskaus die regulären Truppen der Roten Armee von Soldaten des Geheimdienstes abgelöst werden, stehen die Zeichen auf Umschwung. Aber wer wird sich behaupten?

Es ist ein bissiger Humor, der hier geboten ist, mit Figuren, die eigentlich recht liebenswert erscheinen, aber allesamt ihre Leichen im Keller haben. Mit den Mitteln einer Groteske wird hier eine gallige Geschichte erzählt, bei der manches fast schon überdreht erscheint, aber auf realen Dingen fußt. Das gilt insbesondere auch für die Darstellung des für die Sicherheit zuständigen Beria, der sich als Reformer gibt, aber ein Monster auf zwei Beinen war. Das unterstreicht der Film eher nebenbei, wenn gezeigt wird, wie Beria eine junge Frau zugeführt wird und diese dann mit einem Blumenstrauß entlassen wird. Das basiert auf realen Vorkommnissen, die hier eher durch das, was impliziert wird, Wirkung erzielen, als durch das, was tatsächlich gezeigt wird. Es hilft, wenn man etwas über die historischen Hintergründe kennt, es ist aber nicht zwangsläufig notwendig.

Schon die erste Szene mit einem großartigen Paddy Considine zeigt, in welchem Klima der Angst die Menschen in der Sowjetunion leben. Dabei wird aber auch auf eine absurde Form von Humor gesetzt, die den ganzen Film über präsent ist. Es gibt hier viel zu lachen, aber man muss schon ein Faible für schwarzen Humor haben, denn so manches Mal bleibt das Lachen auch einfach im Hals stecken.

The Death of Stalin brilliert auch durch ein hervorragendes Ensemble, das bis in die Nebenrollen herausragend besetzt ist, allen voran steht aber Steve Buscemi, der als Nikita Chruschtschow einige faszinierend abseitige Szenen meistert – etwa, als seine Figur nach durchzechter Nacht mit Stalin seiner Frau diktiert, was der oberste Sowjet mochte und was er nicht mochte. Kurz gesagt: Ein phantastisch abseitiger Film – enorm sehenswert.

26.04.2018

4

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Kommentare

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srztaf

vor 6 Jahren

Eine brillante schwarze Komödie! Allerdings: Es ist gewiss hilfreich, wenn man etwas von sowjetischer Geschichte versteht, um der Storyline mühelos zu folgen. Erst mit diesem Wissen entfalten die Pointen ihre volle Wirkung im Lachmuskelbereich - und lassen zugleich das Blut gefrieren. Denn "The Death of Stalin" ist nicht nur eine Komödie, es ist auch so etwas wie ein Dokudrama - und erschreckenderweise zu sehr realistisches. So muss es gewesen sein in den letzten Tagen des "Grossen Lokomotivführers des Weltproletariats". Eine Welt, die uns heute so absurd vorkommt, die aber für die Menschen, die damals lebten, jede Sekunde von Todesgefahr begleiten liess. Besonders treffend geschildert wird die Gruppendynamik des Politbüros: einerseits ist da diese Truppe von Hampelmännern, die ohne ihren Chef nicht beschliessen können oder wollen, einen Arzt zu rufen, obwohl Stalin offensichtlich einen Schlag erlitten hatten; andererseits ist da die permanente Furcht vor dem eigenen Todesurteil, die dazu führte, dass jederzeit alle bereit sind, jeden anderen zu verraten, mit Händen zu spüren - und gleichzeitig kontrastiert das dann mit den trivialen menschlichen Schwächen, die wir alle haben. Höhepunkt ist sicherlich der Schauprozess gegen Beria im Gärtenhäuschen und die vermurkste Hinrichtung - grandios. Auch wenn es historisch nicht ganz richtig ist - zweifelsohne hatte es so sein können. Thumps up für diesen Streifen.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 6 Jahren


thejuege

vor 6 Jahren

Die Englisch sprechenden Russen irritieren.
Ich stell mir vor, das es diese Tage im weissen Haus so komödiantisch zu und her geht.


Maratonna

vor 6 Jahren

Kein Film, den man gesehen haben muss und schon gar nicht ein zweites Mal sehen will. Eigentlich weiss ich immer noch nicht, was dieser Film bezwecken will. Will er lustig sein? Fehlanzeige. Man kann anfangs vielleicht 2 mal schmunzeln, aber das wars dann auch. Die Ironie oder der Zynismus wiederholt sich dauernd und wird bald einmal langweilig und nicht mehr überraschend. Will er unterhalten mit Dramaturgie? Das sage ich nur: Gähn. Es kommt nie Spannung auf, der Humor ist platt und fantasielos und der Zynismus nicht lustig. Will er zum Nachdenken anregen? Das ist wohl gelungen. Denn ich denke ständig: was haben die sich bloss dabei gedacht? Wenn man als Schauspieler das Drehbuch in den Händen hat, denkt man dann tatsächlich, wow, diese Rolle will ich spielen? Also mir bleibt nur Kopfschütteln.Mehr anzeigen


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