The End of Meat Deutschland 2017 – 95min.

Filmkritik

Die Zigarette der Zukunft?

Irina Blum
Filmkritik: Irina Blum

Schnitzel, Steak, Sparerips: In Zukunft alles Wurst? Der Soziologe und Dokumentarfilmer Marc Pierschel zeichnet in The End of Meat eine Zukunftsvision, die zurzeit noch sehr utopisch scheint: Eine Welt, in der Tiere nicht mehr auf unserem Teller, sondern nur noch auf Lebenshöfen oder in unseren Gärten landen.

Das wohl populärste Beispiel aus Pierschels Dokumentation zum Thema Fleischkonsum ist Esther: Ein Schwein, das – ursprünglich als Mini-Schwein gekauft – wächst und wächst, seine Besitzer zunehmend vor Herausforderungen stellt und schliesslich zum viralen Hit wird, als ihre Herrchen Alltagssituationen mit ihr auf einer eigens für sie erstellten Facebook-Seite teilen. Die Moral der Geschichte: Esthers Herrchen leben fortan vegan, sei es doch paradox, Esther beim Kochen die Resten des gebratenen Specks zu verfüttern.

Nebst solchen ethischen Sequenzen kommen in The End of Meat auch viele Wissenschaftler zu Wort, die auf die gesundheitlichen Gefahren oder die immense Umweltbelastung des Fleischkonsums eingehen. Zum Schluss werden Alternativen zum heutigen Fleischkonsum vorgestellt, zum Beispiel mittels der Arbeit eines Forschers der Universität Maastricht, der im Labor an einer künstlich erzeugten Version von Fleisch tüftelt, das mithilfe von Stammzellen und einer Art Hefe vermehrt wird. Ob diese Art der Fleischherstellung – auch aufgrund der immensen Kosten – die Massentierhaltung ablösen wird, bleibt zwar fraglich, die Vorstellung von echtem, ethisch aber weitestgehend vertretbarem Fleisch sollte sich aber wohl doch für viele interessant anhören.

Pierschel fügt so von Ethik über Biologie hin zur Politik Szene für Szene ein umfassend beleuchtetes und wissenschaftlich relativ fundiertes, wenn auch teilweise etwas chaotisch wirkendes Bild von Fleischkonsum und dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier zusammen. Hinter allem stehend: Die Frage, wie eine Welt ohne Fleisch aussehen könnte. Eine utopische Zukunftsvision bleibt diese Überlegung zwar bis zum Schluss, aber dank den vielen Stellungnahmen, auf die der Film eingeht, öffnen sich dennoch neue Horizonte.

Wenn zwei Philosophen davon sprechen, Tiere rechtlich als Mitbürger anzusehen und ihnen dieselben Rechte einzuräumen wie Menschen, dann tendieren die meisten wohl erstmal dazu, sich an die Stirn zu langen. Man kann Pierschel auch sehr wohl vorwerfen, eine allzu subjektive und einseitige Sichtweise einzunehmen, was natürlich vor allem Anhänger einer pflanzlichen Ernährung auf den Plan ruft. Mehr Objektivität hätte der Wirkung der Dokumentation tatsächlich gutgetan; mit seinen etwas gar utopischen Vorstellungen bestätigt Pierschel überzeugte Wurstesser nur in ihrer Haltung, Veganismus beinahe als Ersatzreligion zu betrachten.

Auch wird die Kehrseite der Medaille – zum Beispiel die Bio- beziehungsweise Demeter-Produktion von tierischen Produkten oder die Herstellungsweise, Umweltbelastung sowie Nährwertbilanz von veganen Produkten wie Avocados oder Tofu-Schnitzeln – gänzlich ausgelassen. Nichtsdestotrotz schafft es sein Film, allen unvoreingenommenen Zuschauern ein vielfältiges Bild des Fleischkonsums zu vermitteln, ohne dabei gross die Moralkeule hervorzuholen – ein Denkanstoss ist damit auf jeden Fall gemacht.

17.02.2024

3.5

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