The Etruscan Smile USA 2018 – 108min.

Filmkritik

Familienfindung in San Francisco

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Oded Binnun und Mihal Brezis stellen mit ihrem Regiedebüt ein herzerwärmendes Drama um einen raubeinigen Schotten vor, der sich gegen Ende seines Lebens in einen liebevollen Grossvater verwandelt.

Rory MacNeil lebt auf einer winzigen Insel an der schottischen Nordküste. Seine Frau ist tot, sein Sohn nach San Francisco ausgewandert, Rory ein Raubein und Eigenbrötler. Er ist körperlich fit, gleichwohl plagen ihn ab und zu Schmerzen, sodass der befreundete Veterinär, der ihm zur Not ein Schmerzmittel verabreicht, dringend rät, einen Arzt aufzusuchen. So steigt Rory eines Tages in ein Flugzeug nach San Francisco und will die gefürchtete Arztvisite mit einem ihm kaum angenehmer erscheinenden Besuch bei seinem Sohn verbinden: Man ist im Streit auseinandergegangen, hat sich 15 Jahre nicht gesehen, Rory hat bisher weder seine Schwiegertochter Emily noch seinen Enkel Jamie kennengelernt. Entsprechend angespannt ist Stimmung bei seiner Ankunft und würde Emily nicht eingreifen, lägen sich Rory und Ian wohl bald in den Haaren.

So aber bezieht Rory das Gästezimmer und nimmt sich im Appartement in San Franciscos Nobelviertel aus wie ein Bär in einem Glashaus: Über weite Strecken bezieht das Regiedebüt von Oded Binnun und Mihal Brezis seinen Reiz aus der Auseinandersetzung von Vater und Sohn und dem implizierten Zusammenprall unterschiedlicher Lebensansichten und -entwürfe. Welten scheinen zu liegen zwischen Rory, der stolz auf Herkunft und Tradition am liebsten Gälisch spricht und auch schon mal im Kilt durch San Francisco spaziert, und Ian, der in einem Nobelrestaurant arbeitet, in einer gleichberechtigten Beziehung lebt und seinen Sohn streng nach Ratgeber aufzieht.

Ein Reisser indes ist die Story von The Etruscan Smile – zu Grunde liegt dem Film ein Roman von José Luis Sampedro – nicht. Im Gegenteil: von der Hiobsbotschaft, die Rory vom Arzt erhält, über die sich ins Lot rückende Beziehung von Vater und Sohn bis zur Rückkehr nach Schottland ist alles vorausaussehbar. Im Kleinen aber steckt die Geschichte voll hübsch beobachteter Details und witziger Einfälle. Der Schotte Brian Cox spielt Rory MacNeil herb grantelig, zugleich einnehmend charmant; auch JJ Feild vermag als moderner Vertreter des starken Geschlechts zu überzeugen; ganz zu schweigen von Olvier Aero und Elliot Echo Boom Kappow Epps, die in der Rolle von Jamie den Erwachsenen regelmässig die Schau stehlen. Mit The Etruscan Smile ist dem 90-jährigen Produzent Arthur Cohn nochmals ein – landschaftlich sensationell schöner und ans Herz gehender – Film geglückt, der zeigt, worum es im Leben wirklich geht: Menschlichkeit.

26.03.2024

4

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Kommentare

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selinaburri

vor 6 Jahren

Gute Unterhaltung!


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