Final Portrait Grossbritannien 2017 – 90min.
Filmkritik
Ein Kunstwerk ist nie fertig
Er ist Betrüger, Kettenraucher, Trinker, Perfektionist, Künstler: Alberto Giacometti. Der Schweizer Bildhauer, Maler und Grafiker gehört zu den bedeutendsten Kunstschaffenden des 20. Jahrhunderts. Bekannt ist Giacometti vor allem für seine hochgezogenen, schlanken Skulpturen. Nun hat Stanley Tucci aber einen fiktionalen Film über das letztgemalte Porträt des Künstlers realisiert. Entstanden ist ein Film, der von seinem Publikum – ähnlich wie ein Maler von einem sitzenden Modell – viel Geduld erfordert. Für manche möglicherweise zu viel!
Kunst kann nicht auf Knopfdruck entstehen, lautet eine zentrale Botschaft des Films. Der anfänglich von Giacometti angekündigte halbe Arbeitstag für ein Porträt des Schriftstellers James Lord zog sich über Wochen hinweg. Immer und immer wieder begann er mit dem Malen des Gemäldes von vorne. Nie zufrieden mit dem Resultat strebt er die Perfektion an. „Ein Kunstwerk ist nie fertig“ äussert sich Giacometti in mehreren Szenen. Den passenden Moment des Abschliessens zu finden, ist keine einfache Aufgabe. Die Erzählperspektive aus der Sicht des Schriftstellers, der beim Meister von sich ein Porträt in Auftrag gibt, ist geschickt gewählt. Je länger der Film läuft, desto mehr nähert sich nicht nur die Figur sondern auch der Zuschauer dem bekannten Künstler an. Der Film vermittelt ausgezeichnet die Arbeitsweise des aussergewöhnlichen Menschen und seine verschiedenen und kontrastreichen Gesichter.
Final Portrait liefert einen lehrreichen Einblick in das künstlerische Leben von Giacometti. Einige Fragen lässt der Film – bewusst oder unbewusst – offen, wodurch ein Verlangen nach weiteren Informationen über den aussergewöhnlichen Menschen namens Giacometti ausgelöst wird. Besonders interessant ist die Frage, welche Details auf realen Begebenheiten basieren und welche verändert worden sind.
Auch wenn der Künstler eine sehr interessante Persönlichkeit war und sich für ein filmisches Porträt eignet, kann es leicht passieren, dass die Gedanken während dem Kinobesuch abschweifen. Das filmische Werk zieht sich nämlich extrem in die Länge und erwartet vom Publikum zu viel Geduld. „Es dauerte Stunden und nichts passierte“ erläutert James Lord seine Erfahrungen beim Künstler. Dieses Empfinden kann wunderbar auf jenes des Zuschauers übertragen werden. Redundante Einstellungen und Szenen verlangsamen die visuelle Erzählung – Spannung wird dadurch im Film nie wirklich aufgebaut: Tief- und Höhepunkte fehlen gänzlich. Nicht einmal die nebenbei erzählten Liebesgeschichten der beiden Männer (Giacometti hat u. a. eine Affäre mit einer Prostituierten, gespielt von Clémence Poésy) peppen die Story auf. Für einen packenden fiktionalen Film fehlen schlichtweg die Konflikte der Figuren.
Lediglich das Schauspiel bzw. der Cast ist überzeugend. Der australische Oscar-Preisträger Geoffrey Rush verkörpert das Künstlergenie sehr glaubhaft. Aber auch an Armie Hammer ist in seiner Rolle als James Lord nichts auszusetzen. Damit ist der Film definitiv kein Giacometti, sondern eher ein mittelmässig gelungenes Kunstwerk. Womöglich wäre ein Dokumentarfilm anstelle eines fiktionalen Spielfilms die geeignetere Wahl gewesen, um Giacomettis Ecken und Kanten gerecht zu werden.
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Kommentare
Der grosse Geoffrey Rush verkörpert mit erstaunlicher Mimik und Körpersprache den grossen Bildhauer und Maler Alberto Giacometti. Trotzdem verbreitet "Final Portrait" leider vor allem grosse Langeweile... Die Dialoge sind manchmal raffiniert, aber dennoch ist es wenig unterhaltsem, wenn ein Maler einen Schriftsteller malt. Cineasten können sich immerhin an Geoffrey Rush erfreuen, aber viel mehr ist hier nicht zu sehen.… Mehr anzeigen
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