Leto Frankreich, Russische Föderation 2018 – 129min.
Filmkritik
Mit Punkrock gegen das System
Regisseur Kirill Serebrennikow erzählt von einem Land der Tristesse und Unterdrückung, in der Kunst zur Ausdrucksform wird, die Künstler jedoch immer Gefahr laufen, ins Visier der Staatsgewalt zu gelangen. Der Film spielt in der Sowjetunion, er könnte aber auch im heutigen Russland spielen. Serebrennikow sitzt dort in Hausarrest. Man wirft ihm Veruntreuung vor, es scheint jedoch eher, dass ein unbequemer Künstler mundtot gemacht werden soll.
Leningrad in den frühen 1980er-Jahren. Es ist ein ganz besonderer Sommer, einer, in dem die Perestroika noch fern ist, die Platten von Lou Reed, T.Rex, den Sex Pistols und David Bowie aber ein Lebensgefühl transportieren, das die noch junge, aber lebendige Underground-Musikszene beflügelt. Unangefochtener Held dieser Szene ist Mike, der den jungen Musiker Viktor unter seine Fittiche nimmt, seine eigene Musik macht, sich mit dem System arrangiert, aber auch daran verzweifelt, und mit einer Frau zusammenlebt, die sich für Viktor interessiert.
In Schwarzweissbildern erzählt ist Leto – das ist das russische Wort für Sommer – ein interessanter, auch experimenteller Film. Er erzählt nicht nur geradlinig seine Geschichte, sondern bedient sich bei den Gesangseinlagen mit englischsprachigen Klassikern auch einer Ästhetik, die an MTV erinnert. Das sind die Momente, in denen der Film frech ist. In denen er frei und losgelöst ist. Aber nicht nur die herbe Schwarzweissoptik sorgt für eine bedrückende Stimmung, auch die Geschichte selbst ist so gestaltet, dass der Konflikt zwischen jungem Freiheitsstreben und repressivem System immer spürbar ist. Die Musik dieser Künstler ist eine Auflehnung, auch wenn die Texte vorab genehmigt werden müssen. Aber wie es bei Kunst häufig der Fall ist: Sie kann Botschaften transportieren und auch schmuggeln, die den Zensoren entgehen. Die Songs sagen etwas aus – für all jene, die bereit sind, wirklich zuzuhören.
Das ist die eigentliche Stärke dieses Films, der Punkrock zelebriert, aber seine ganz eigene Stimme aufweist. Er erzählt von einem Leben, wie es in der westlichen Welt nicht vorstellbar war. Das macht Leto interessant, weil man in ein Stück russischer Geschichte eintaucht, die vergangen scheint und doch so aktuell ist. Das macht den Film sehenswert, weil er ein Lebensgefühl transportiert, das nicht nur der Jugend vorbehalten ist, aber niemals stärker brennt als in jungen Jahren. Dieses Feuer kann Leto transportieren, während Serebrennikow nie versäumt, den realistischen Boden des Films unangetastet zu lassen. Aber die Botschaft ist klar: Die Revolution kann kommen.
Dein Film-Rating
Kommentare
Toller FIlm, toller Sound, tolle Umsetzung, sehr spannende Thematik. Möglicherweise stellenweise etwas unterkühlte Charaktere (?)), andererseits ist der Film dadurch auch unanstrengend zum Schauen und prima Schauspieler. Etwas vom besten Kino seit längerem, unbedingt sehen!
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