Der Gast Italien 2018 – 94min.
Filmkritik
Ein geplatzter Traum
Ein kaputtes Kondom wirft nicht nur die Kinderplanung, sondern gleich auch die Beziehung eines nicht mehr ganz so jungen Paares über den Haufen: Duccio Chiarini (Regie und Drehbuch) spürt in der italienischen Komödie L’ospite der Befindlichkeit von zwei Enddreissigern nach.
Als Guido (Daniele Parisi) und Chiara (Silvia D'Amico) nach dem Geschlechtsverkehr feststellen müssen, dass das Kondom den Akt unglücklicherweise nicht heil überstanden hat, wird ihre Beziehung auf die Probe gestellt: Denn während er den Unfall als Wink des Schicksals sieht, um mit der Kinderplanung zu beginnen, ist sie von diesem Gedanken alles andere als angetan – und eröffnet dem gutgläubigen Möchtegern-Schriftsteller, dass sie sich überlegt, eine Stelle in Kanada anzunehmen; ohne Guido und ganz sicher nicht schwanger. Guido zieht daraufhin aus der gemeinsamen Wohnung aus – auf Zeit, wie er annimmt – um Chiara den von ihr gewünschten Freiraum zu geben.
Dabei kommt er auf den Couches und Ausziehsofas von Verwandten und Bekannten unter: Unter anderem bei seinen Eltern (Milvia Marigliano und Sergio Pierattini), die selbst mit den einen oder anderen Differenzen zu kämpfen haben, seinen Freunden Pietro (Guglielmo Favila) und Lucia (Anna Bellato), bald zweifache Eltern und konstant arg gefordert bis überfordert, und Dario (Daniele Natali), der gerade die Kardiologin Roberta (Thony) frisch an seiner Seite vorgestellt hat, in Tat und Wahrheit aber in eine andere verknallt ist.
Konflikte sind in L’ospite also reichlich vorhanden – das muss auch der Protagonist Guido merken, der von den Zweifeln seiner Freundin Chiara vor den Kopf gestossen und zum Nachdenken angeregt wird. Sie wolle, bevor sie an Kinder denken können, im Leben erst etwas erreicht haben, meint sie – die abgenutzte Couch und Guidos Karriere als verkappter Schriftsteller, der sich mit einer Anstellung als Lehrer über Wasser hält, zählen für sie offensichtlich nicht. Mit viel Gespür für die Realität und alltagsnahe Dialoge fühlt Duccio Chiarini so der Befindlichkeit der Generation „Null Verpflichtungen“ nach, die von Chiara repräsentiert wird: Sie weiss nicht so recht, was sie will, auf jeden Fall aber, was sie nicht will – doch entscheiden kann sie sich dennoch nicht so richtig.
Während so zu Beginn viele witzige Situationen entstehen (angefangen bei der Kondom-Szene), schlägt der Film mit dem Fortgang der Handlung immer öfters dramatischere Töne an – aufhörend mit einem nicht ganz so naheliegenden Ende, das sich wieder deutlich von der zuvor so penibel analysierten Realität entfernt. Der Wechsel von humoristischen zu tragischen Tönen kriegt die Komödie nicht ganz so elegant hin, und einige fragwürdige Szenen – wie zum Beispiel Guidos Vortrag vor dem Schulausschuss – hätte man weglassen können. Äusserst sympathische Figuren, gespielt von einem von Daniele Parisi angeführten, gut aufgelegten Cast, sorgen aber nichtsdestotrotz dafür, dass man L’ospite irgendwie ins Herz schliessen muss. Schliesslich ist es schön, auf der Leinwand auch jenen Geschichten und Figuren einen Platz zu bieten, bei denen – wie im echten Leben – das stetige Auf und Ab tongebend ist.
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