Utøya 22. Juli Dänemark, Norwegen, Schweden 2018 – 91min.

Filmkritik

Im Zentrum der Angst

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Es war wohl der mit am meisten Spannung erwartete Film der diesjährigen Berlinale: der norwegische Wettbewerbsbeitrag Utøya 22. juli. Regisseur Erik Poppe versucht mit seinem Film, das Massaker des rechtsextremen Terroristen Anders Breivik zu rekonstruieren. Breivik hatte am 22. Juli 2011 eine Autobombe in der Innenstadt von Oslo gezündet, wobei acht Menschen ums Leben kamen. Während sämtliche Rettungskräfte und Polizisten sich dort sammelten, fuhr er auf die kleine Insel Utøya, auf der fünfhundert Jugendliche im Sommercamp der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Urlaub machten. Breivik tötete dort weitere 69 Menschen.

Es ist immer eine schwierige Frage, wie man mit einem nationalen Trauma umgehen soll und vor allem, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist. Regisseur Poppe betonte, er habe mit dem Film die Erinnerung an die Opfer aufrecht erhalten wollen. Im Vorfeld habe er viel recherchiert und mit Überlebenden und Angehörigen gesprochen, um so einen detaillierten Überblick der Geschehnisse zu bekommen. Letztlich habe er sich aber entschieden, eine fiktive Figur zu erzählen. Es ist Kaya, eine junge Frau, die mit ihrer kleinen Schwester im Sommercamp ist.

Utøya 22. juli beginnt mit den realen Aufnahmen von Überwachungskameras der Explosion in Oslo, danach beginnt die Spielfilmhandlung auf der Insel. Die Jugendlichen wissen mittlerweile von der Explosion, überlegen, ob Al-Qaida dahinterstecken könne und beruhigen ihre Eltern am Handy, dass man sich hier am „sichersten Ort der Welt“ befinde. Kurz darauf fällt der erste Schuss und es beginnt das 72-minütige Massaker. Der Film erzählt diese 72 Minuten in Echtzeit und ohne Schnitt. Die Kamera bleibt dicht an Kaya, rennt, flüchtet und zittert mit ihr. Permanent fallen Schüsse, immer wieder rennen Teenager um ihr Leben. Er habe die Geschichte der Opfer erzählen wollen, so Poppe – und tatsächlich taucht Breivik nur für Sekunden als Schatten am Bildrand auf. Zugleich verzichtet er fast gänzlich auf Blut und Grauen, die Leichen sieht man lediglich am Rande. Und trotzdem stellt sich ein ungutes Gefühl beim Schauen ein, denn man fragt sich, ob man diese Bilder sehen muss. Denn man kann sich den Horror, der sich auf der Insel abgespielt haben muss, gut genug vorstellen. Doch Poppe inszeniert dennoch Bilder davon, die so realistisch wie möglich wirken sollen, die voller Angst getränkt sind, atemlos. Doch gerade durch diese Authentizität nivelliert sich die Fiktionalisierung, alles wirkt bewusst dokumentarisch und somit immer voyeuristisch. Und auch wenn der Film packend inszeniert ist und Newcomerin Andrea Berntzen großartig spielt, bleibt am Ende ein schaler Nachgeschmack.

13.05.2024

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Kommentare

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sophie_szabo

vor 5 Jahren

schlecht gemachter Film


Ashton

vor 6 Jahren

Erik Poppe gibt zwar vor, sich der Aufarbeitung der Geschnisse auf der Insel Utoya im Jahre 2011 zu widmen, doch kann sich der Zuschauer nicht des Eindrucks erwehren, dass der Regisseur dieses Elend, das Drama und Entsetzen nur nutzt, um sich und seine Filmkunst in den Vordergrund zu rücken, sprich, sich selbst am Leid jener Menschen, die dem Tod ins Auge sahen, zu ergehen.

Das Massaker auf der Insel dauerte 72 Minuten und diese 72 Minuten erlebt der Zuschauer mit. Wozu?, will man fragen. Wozu? Was will der Regisseur damit erreichen, einem 72 Minuten Schrecken, Angst, Panik und das Dahinschlachten wehrloser Menschen zu präsentieren? Sollen wir daran teilhaben? In die Rolle derer schlüfen, die gepeinigt und verwundet wurden? Davon einmal abgesehen, dass dies - sofern man keine ähnlichen Erfahrungen gemacht hat - ganz unmöglich ist, degradiert sich Poppe gerade in der Szene, in der er ein Mädchen in den Armen seiner fiktiven Hauptprotagonistin Kaja sterben lässt, zum reinen Voyeur seiner selbst. Eine Szene, die anrührt: das sterbende Mädchen wünscht sich nichts sehnlicher, als noch einmal mit seiner Mutter zu sprechen. Dann schließt sie die Augen - für immer. Wenig später klingelt ihr Handy. Jedem ist klar, wer da anklingelt. Poppe hält jedoch auch hier mit der Kamera drauf, um sicherzustellen, das wir, die Zuschauer begreifen, dass dies einer seiner "genialen" Film-(Tricks) ist, die er da anwendet. Und das grenzt nicht nur an Geschmacklosigkeit, das ist pietätlos den Opfern gegenüber. Und beweist überdies Poppes Eitelkeit, seine Selbstsucht, die er in diesem Moment feiert,wenn wir, die Zuschauer zu weinen beginnen ...

Dieser Film ist zweifelsohne spannend erzählt: atemlos folgen wir Kaja, die nicht nur nach ihrer, im Tumult und Chaos verloren gegangenen Schwester sucht, sondern auch als Helferin auftritt und zuweilen sehr souverän wirkt, bis sie letztlich selbst an ihrer Panik kaputtgeht, ja geradezu kaputtgehen muss.

Aber was, so stellt sich wiederum die Frage, will uns Poppe mitteilen, was sagen? Wo bleibt die den Opfern angemessene Auseinandersetzung mit diesem Stoff? Die bloße Präsentation der Ereignisse auf der Insel, eingefangen mit einer Handkamera, die zweifelsohne die Authentizität erhöhen soll, macht aus diesem Film noch lange keinen Guten. Wir als Zuschauer beschauen dieses Grauen aus sicherer Entfernung - gleichsam so, als schauten wir einen Horrorfilm. Einen allerdings, der sich am Leid Anderer profiliert. Und das ist ekelerregend!Mehr anzeigen


robertg

vor 6 Jahren

Dieser Film hält 90 Minuten lang die Kamera auf das Leiden der Opfer. Für den Zuschauer ziemlich unerträglich wie hier der Regisseur diese schreckliche Ereignis voyeuristisch ausweidet. Ich kann mir vorstellen, dass es für die realen Opfer und Angehörigen, die noch immer darunter leiden eine absolute Zumutung ist.Mehr anzeigen


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