Walking on Water Deutschland, Italien, Vereinigte Arabische Emirate, USA 2018 – 100min.
Filmkritik
Mit Christo über Wasser wandeln
Nach dem Tod seiner Frau stellte sich für den Künstler Christo die Frage, ob er überhaupt weitermachen konnte. Er tat es dann mit einem Projekt, das sie beide ersonnen hatten und nun endlich Wirklichkeit werden sollte. Der Dokumentarfilm Walking on Water, für den 700 Stunden an Material gedreht wurden, zeichnet nach, wie dieses Projekt zustande kam und welche Schwierigkeiten damit einhergingen.
Die Idee zu den «Floating Piers» hatten Christo und seine im Jahr 2009 verstorbene Frau Jeanne-Claude schon im Jahr 1969. Verschiedene Versuche wurden unternommen, nirgendwo erhielt man für dieses Projekt jedoch eine Genehmigung. Als Christo sich 2014 daran machte, das Projekt neu zu beleben, fand man mit dem See Iseo in Italien den perfekten Hintergrund, um die Pontons zu positionieren, die eine Insel mit dem Festland verbinden und den Leuten das Gefühl geben sollten, als würden sie über Wasser wandeln. Es war ein einzigartiges Kunstprojekt, das nur 16 Tage existieren sollte.
Christo wollte schon lange einmal seinen Schaffensprozess dokumentieren lassen. Damit würden von seinem Kunstwerk mehr als ein paar Bilder und flüchtige Aufnahmen bleiben. Denn der Kern von Christos Kunst ist die Vergänglichkeit. Er wiederholt sich nie, und seine Kunst existiert nur wenige Tage. Sie ist dabei nicht museal, sondern zum Erleben. Wer sich darauf einlassen möchte, muss Zeit mitbringen und sich darin verlieren. Die Erfahrung ist das, was Christo am Wichtigsten ist. Das erkennt man auch sehr schön an diesem gut strukturierten Dokumentarfilm, der alles andere als eine Heldenverehrung ist.
Denn er zeigt Christo auch in Momenten, in denen er unwirsch und aufbrausend ist, in denen er andere als Idioten beschimpft, in denen er ganz und gar seiner Passion erliegt. Denn das ist wiederum, was diesen Film ausmacht: Dass er es schafft, zu illustrieren, was einen Künstler wirklich antreibt. Es ist die immense Leidenschaft, etwas zu erschaffen, das nicht zwangsläufig fortbestehen muss, aber etwas bewirken soll. Und das, obwohl seine Werke, wie Christo sagt, „alle komplett nutzlos sind. Wir schaffen sie nur, weil wir sie gerne anschauen möchten.“ Kann es einen besseren Grund geben, Kunst zu machen?
Der Film ist dabei nicht nur das Porträt eines Künstlers, sondern auch Zeugnis dessen, mit welchen Schwierigkeiten ein solches Projekt zu kämpfen hat – und das nicht nur im Vorfeld, sondern auch während der Präsentation: Das Projekt lockte weit mehr Besucher an als zunächst erwartet – womit die Sicherheit auf den Pontons nicht mehr gegeben war. Walking on Water erlaubt es dem Zuschauer, in die Schuhe des Künstlers zu schlüpfen – und er zelebriert den Wert der Kunst an sich, die auf die eine oder andere Art bewegen soll. Auch auf dem Wasser.
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