Alice et le maire Belgien, Frankreich 2019 – 105min.
Filmkritik
Die Vordenkerin
Fabrice Luchini lässt sich in der Rolle eines gestandenen Politikers von einer jungen Frau in die Kunst des Denkens einführen. Nicolas Parisers Politkomödie ist subtiler, als auf den ersten Blick scheinen mag.
Paul Théraneau steckt in der Bredouille. Der Sozialist ist seit dreissig Jahren in der Politik. Aktuell bekleidet er das Amt des Bürgermeisters von Lyon, künftig möchte er noch viel höher hinaus. Er beschäftigt eine Heerschar von Assistenten und Beratern. Eine Gruppe hipper Forscher und Architekten erarbeitet in seinem Auftrag ein Projekt, welches das verschlafene Lyon in eine zukunftsweisende Grossmetropole verwandeln soll.
Doch seit einigen Wochen fühlt Théraneau sich ausgelaugt. Er hat keine Freude mehr an seiner Arbeit. Vor allem fehlt es ihm an Visionen. Andere in seiner Situation würden sich eine Auszeit nehmen oder eine berufliche Neuorientierung anstreben. Théraneau aber heuert die Jungphilosophin Alice Heimann an. Sie ist vor kurzem von der Uni abgegangen, freut sich auf ihren Job, kann sich allerdings nicht vorstellen, was dieser beinhaltet. De facto ist ihre Stelle offiziell bereits wieder gestrichen, als Alice diese antritt.
Théraneau zitiert seine neue Mitarbeiterin trotzdem zu sich. Es mangle ihm an Ideen und sie solle ihm das Denken beibringen, erklärt er ihr. Fortan füttert Alice Théraneau zwischen seinen Terminen mit kurzen philosophischen Texten und rät ihm in Anbetracht des ihr aufgeblasen erscheinenden Polit- und Regierungsbetriebs sowie der ihn unablässig umschwärmenden Profiteure und Möchtegerns zu zurückhaltender Bescheidenheit. Das gefällt Théraneau. Binnen kürzester Zeit ist Alice seine wichtigste Stütze und darf (muss) den Bürgermeister überall hin begleiten. Das allerdings bleibt nicht unbemerkt.
Alice et le maire kommt leichtfüssig flink und oft pointiert dialogwitzig daher. Vieles wird darin nur gestreift oder angetippt: Nicolas Pariser sucht weder eine vertiefte Auseinandersetzung mit politischen Inhalten noch stellt er das Porträt eines Politikers vor. Was ihn interessiert ist der politische Apparat, das Funktionieren und das Zusammenspiel von Macht und menschlichen Beziehungen – und die Frage, ob Politik und Philosophie zusammenpassen.
Fabrice Luchini spielt wie immer glänzend, ein wenig erinnert sein Auftritt an die Rolle des ausgebufften Managers, die er in Un homme pressé innehat. Anaïs Demoustier überzeugt an seiner Seite in einer ihrer bisher grössten Rolle als junge Frau, die zwar nicht weiss, was man von ihr erwartet, aber sich durchaus etwas zu sagen getraut.
Dein Film-Rating
Kommentare
Da jeder Maire ein kleiner König sei, und das wird architektonisch-inszenatorisch spürbar, konnte der Film NICHT in Paris spielen. Denn dort gibt keinen Stadt- sondern den Staatskönig. Insofern schön, mal eine andere Stadt anders kennen zu lernen...
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