Camino Skies - Himmel über dem Camino Australien, Neuseeland 2019 – 81min.
Filmkritik
Mit schwerem Gepäck
In ihrem 2019 uraufgeführten Dokumentarfilm «Camino Skies – Himmel über dem Camino» folgen Fergus Grady und Noel Smyth sechs grundverschiedenen Menschen aus Australien und Neuseeland, die eine Sache eint: die Suche nach Sinn und neuer Kraft auf dem Jakobsweg.
Seit über 1000 Jahren schon nutzen Pilger den Camino de Santiago, um spirituelle Erfahrungen zu sammeln. Seit geraumer Zeit erlebt das durch Europa verlaufende Netzwerk an Wanderrouten, dessen Ziel das Grab des Heiligen Jakobus in Santiago de Compostela ist, allerdings einen echten Boom. Die immer hektischer und unübersichtlicher wirkende Gegenwart scheint den Wunsch nach einer Neubesinnung zu befeuern. Die Gründe, den Jakobsweg zu gehen, mögen ganz unterschiedlich sein. Nicht wenige, die sich entschliessen, das Abenteuer in Angriff zu nehmen, stehen aber, wie es ein Priester im Film beschreibt, an einem Scheideweg in ihrem Leben oder stecken in einer persönlichen Krise, mit der sie auf dem wochenlangen Marsch lernen wollen, umzugehen.
Fergus Gradys und Noel Smyths Gemeinschaftsarbeit begleitet Personen, auf die eben diese Beschreibung zutrifft. Schicksalsschläge sind die Triebfeder für die Reise in ein fremdes Land und die Wanderung auf dem 800 Kilometer langen Camino Francés, wie der wohl bekannteste Teil des Jakobsweges von den französischen Pyrenäen quer durch den Norden Spaniens bis nach Santiago genannt wird.
«Caminos Skies – Himmel über dem Camino» liefert eine Reihe von Drohnenflügen über die gegensätzlichen Landschaften und zeigt wiederholt Stimmungsbilder von Tieren und Dörfern auf der Route. Den Grossteil der knapp 80-minütigen Laufzeit bleiben die Filmemacher, die die Strecke ebenfalls zu Fuss zurücklegten, mit ihrer Kamera allerdings dicht an den Protagonisten dran. Dabei entstehen einige intime, bewegende, mit gebührender Zurückhaltung eingefangene Momente. Etwa dann, wenn sich die 54-jährige Cheryl, die binnen kurzer Zeit ihren Ehemann und ihren Sohn verloren hat, am Wegesrand mit ihrer Trauer auseinandersetzt.
«Der Jakobsweg ist Leben», heisst es an einer Stelle. Passend zu dieser Erkenntnis blendet «Camino Skies – Himmel über dem Camino» keineswegs aus, dass die Pilgerreise manchmal unglaublich stark an die Substanz geht und nicht nur von schönen Begegnungen geprägt ist. Die Kameradschaft unter den Wanderern und die Möglichkeit, schlimme Ereignisse besser zu verarbeiten, werden in diversen Statements hervorgehoben. Gelegentlich wenden sich Grady und Smyth aber auch irritierenden, unbehaglichen Situationen zu.
In Erinnerung behält man vor allem eine Szene, in der die mit Kalenderweisheiten um sich werfende, selbsternannte Trostspenderin Claude ihren Mitwanderer Mark ohne jedes Taktgefühl ermuntern will, seine verstorbene Stieftochter loszulassen. Das versteinerte Gesicht des Mannes verrät, dass ihre Worte wenig hilfreich sind. Brüche wie dieser verleihen dem in klassischer Manier auf den Endpunkt Santiago zulaufenden Film urplötzlich eine überraschende Note, die man sich öfters wünschen würde. Häufig bleiben die Regisseure nämlich zu sehr an der Oberfläche.
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