Das Rössli, die Seele eines Dorfes Schweiz 2019 – 67min.
Filmkritik
Gastfreundschaft und Geselligkeit: eine Dorfgeschichte und Handwerkermär
Ausgehend von dessen jüngsten baulichen Umgestaltung erzählen Erich Langjahr und Silvia Haselbeck die bewegende Geschichte eines jahrhundertealten Dorfrestaurants im Luzernischen Root.
Fast genau in der Mitte der Wegstrecke zwischen Zug und Luzern steht an einer Kreuzung in Root das Restaurant Rössli. Das barocke Blockhaus, 1751 erbaut und mit dem Tavernenrecht versehen, wurde von Anfang an als Gaststätte betrieben. 1877 um einem neoklassizistischen Anbau mit drei Sälen erweitert wurde das Rössli, an der Hauptkreuzung mitten im Dorf, zu dessen geselligem und kulturellem Mittelpunkt: Bis in die 1990er-Jahre führte die 1863 gegründete Theatergesellschaft Root im Saal des Rössli ihre kleineren oder grösseren Operetten auf.
242 Jahre lang wurde das Rössli von der Familie Petermann und deren Pächtern bewirtet, bis es 1993 schloss und für zwanzig Jahre in einen Dornröschenschlaf fiel. Der Anbau wurde 1997 abgerissen, das Originalhaus 1998 unter Denkmalschutz gestellt. In der Wahrnehmung der Dorfbevölkerung indes verkam das Rössli zu einem „Geisterhaus“ und wurde als Schandfleck empfunden; als Silvia Haselbeck und Erich Langjahr 20 Jahre nach der Schliessung den letzten Rössli-Wirt zu einer Wiederbesichtigung begleiten, findet sich das Innere weitgehend unverändert, selbst das alte Mobiliar steht noch herum.
Mit dem Gestaltungsplan für das Dorf Root kommt 2014 neuer Wind in die Sache, das Rössli, inzwischen im Besitz der gemeinnützigen Stiftung Abendrot, wird in Rücksicht auf seine historische Substanz und mit Bezug zur neugestalteten Umgebung – die Kreuzung ist heute ein Kreisel und gegenüber vom Rössli, das heute «Rössli hü» heisst, steht eine Alterssiedlung – renoviert und erweitert.
Diese Restaurierungs- und Neubauarbeiten bilden den Kern dieser Langzeitstudie, die nach Angaben ihrer Macher einen rasanten kulturellen Wandel dokumentiert. Tatsächlich kennzeichnet Das Rössli, die Seele eines Dorfes wie alle Filme von Langjahr und Haselbeck (etwa: Hirtenreise ins dritte Jahrtausend (2002), Das Erbe der Bergler (2006), Für eine schönere Welt (2012)) eine grosse filmische Sorgfalt. Diese äussert sich im geschärften Blick fürs Handwerkliche und Gesichter ebenso, wie im feinfühligen Umgang mit den Beteiligten, der Geduld, mit der man Prozesse über Jahre beobachtet, sowie einer zurückhaltend präzisen Bild- und Ton-Gestaltung. Nichts Überflüssiges, sondern Fakten gibt es da, dezent eingesetzten Jazz und Bilder – zum Teil wunderschön fotografierte Bilder –, die für sich sprechen.
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