Echo Island 2019 – 79min.
Filmkritik
Spiegelbild der Realität
Ein Weihnachtsfilm der anderen Art: In Echo entwirft Rúnar Rúnarsson das Porträt der modernen isländischen Gesellschaft rund um das Fest der Liebe.
In 56 nicht miteinander in Verbindung stehenden Szenen zeigt Rúnarsson Menschen an verschiedenen Orten kurz vor Weihnachten. Dabei geht es mal turbulent und chaotisch, mal heiter und unterhaltsam zu. Echo ist der dritte Langfilm von Rúnarsson und feierte seine Weltpremiere 2019 in Locarno. Mit feinem Gespür für die Banalität des Alltäglichen rückt der isländische Drehbuchautor und Filmemacher vor allem unauffällige Menschen und triviale Vorkommnisse ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Das beginnt bereits bei der Eröffnungssequenz, wenn ein Auto durch eine Waschstrasse fährt – und Rúnarsson dies mit einer beachtlich konsequenten Langsamkeit und Ruhe abfilmt, als wäre ein PKW in einer Waschanlage etwas Aussergewöhnliches oder optisch besonders Reizvolles.
Die Personen, die man in den rund eine Minute langen Episoden sieht, sind ebenso unterschiedlich wie die Orte, an denen sie sich aufhalten. Rúnarsson präsentiert einen Querschnitt durch die Gesellschaft und ein Spiegelbild der Realität. Wir sehen einen jungen Mann, der im Solarium ein Telefonat führt und kurz darauf ein Mädchen, das ihrer Oma ihr neues Virtual-Reality-Headset zeigt. In einer anderen Szene versucht eine jugendliche Klavierspielerin die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu bekommen, während wir wenig später einer weihnachtlichen Chor-Aufführung lauschen. Ein roter Faden existiert nicht.
Rúnarsson geht es vielmehr darum, die Vielfältigkeit der einzelnen Lebenswirklichkeiten zu zeigen. Und er will das Menschliche herausarbeiten. Zum Menschsein gehören gleichsam Emotionen wie Trauer und Schmerz, auch an Weihnachten – und so spielen sich um den 24.12. herum die kleinen und grossen Dramen ab, zum Beispiel auf der Arbeit oder im Kreise der Familie. Eine Szene zeigt einen abgeschieden gelegenen, lichterloh brennenden Bauernhof. In einer anderen geht es um eine Frau auf der Arbeit, die unvermittelt zu weinen beginnt. Was diesen Ereignissen vorausging: Rúnarsson lässt es offen und verzichtet auf Antworten.
Durch die fragmentarische Herangehensweise und die Beliebigkeit der Alltagsbeobachtungen (darunter auch einige höchst skurrile) stellen sich jedoch spätestens ab der Hälfte Ermüdungserscheinungen ein. Und etwas bruchstückhaft wirkt das Ganze aufgrund der fehlenden Struktur zudem. Hinzu kommen die Langatmigkeit und überstrapazierte (visuelle) Monotonie einiger Szenen, da Rúnarsson meist mit fixierter Kamera filmt. Es gibt nur wenig Bewegung und Abwechslung, stattdessen erscheint vieles starr und unverrückbar. Die Folge davon ist, dass sich der gerade einmal 80 Minuten lange Film mitunter fast doppelt so lang anfühlt.
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