La paranza dei bambini Italien 2019 – 110min.
Filmkritik
Familiennachwuchs
Italien – das ist Dolce Vita, Pasta und „La Strada“. Egal ob Wissenschaft, Malerei, Oper, Kulinarik, Mode oder eben Kino, kaum ein anderes europäisches Land hat über Jahrhunderte so erfolgreich die westliche Kultur geprägt und Sehnsuchtsorte geschaffen. Zugleich gibt es eine dunkle Seite, die weltberühmt ist: die Mafia. Von Der Pate über Sopranos bis zu Gomorrha, die Faszination über das organisierte Verbrechen ist ungebrochen. Und auch im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb treibt die Mafia auf der Leinwand ihr Unwesen.
Der 15-jährige Nicola rast am liebsten mit seiner Clique durch die engen Gassen von Neapel. Doch neben klaren Zukunftsperspektiven fehlt es den Jungs vor allem an einem: Geld. Sie träumen sie von Designerklamotten und teuren Uhren, wie sie die Mitglieder der Familienclans, die das Leben in den Vierteln kontrollieren, tragen. Als sich ihm die Chance bietet, steigt Nicola mit seinen Kumpels ins Drogengeschäft ein. Das Dealen bringt gutes Geld, doch Nicola will mehr: Er will die Macht über sein Viertel. Kurzerhand fordert er den führenden Boss heraus und greift zu den Waffen. Sehr zum Unmut der anderen Clans – und so gerät Nicola zwischen die Fronten...
La paranza dei bambini basiert auf einem Roman des Camorra-Experten Roberto Saviano, der sich bereits in seinem internationalen Bestseller «Gomorrha» mit dem Phänomen des organisierten Verbrechens in Italien beschäftigte. La paranza dei bambini blickt auf die nächste Generation, auf eine Jugend, die wie selbstverständlich in die Mühlen der Gewalt und der Kriminalität gerät.
Regisseur Claudio Giovannesi bleibt mit seinem Film ganz nah an seinem Protagonisten und zeigt, wie der junge Mann immer tiefer im Sumpf des Verbrechens versinkt. Trotzdem gelingt es ihm – bei allen falschen Entscheidungen – die Sympathie des Zuschauers für Nicola aufrechtzuerhalten. Denn immer wieder blitzen seine guten und gerechten Seiten auf, Nicola will zum Beispiel das Viertel übernehmen, damit die Händler (dazu gehört auch seine Mutter) kein Schutzgeld mehr zahlen müssen.
Zugleich ist es erschreckend, wie unbedarft die Jungs Gewalt als legitimes Mittel sehen, um ihre eigene Situation zu verbessern. Und genau das ist die Stärke des Films. Präzise zeichnet Giovannesi das Bild einer Gesellschaft, in der das organisierte Verbrechen tief in der Alltagsstruktur verankert ist und permanent an die nächste Generation weitergegeben wird. Doch der Kampf um Macht und Geld kann nur mit Gewalt gewonnen werden – die bekanntlich Gegengewalt produziert. Und so legt der Film einen Teufelskreis offen, bei dem der Selbsterhalt zur Triebfeder immer heftigerer Bandenkriege wird.
Dramaturgisch überraschend ist La paranza dei bambini allerdings nicht: Man weiss von der ersten Minute, dass dieses Spiel nicht gut ausgehen kann, und immer wieder gibt es Szenen, die überdeutlich und zu klischeehaft erzählt sind. Aber dennoch kann das Mafiadrama mit seinem guten Erzählrhythmus und wirklich überzeugenden Laiendarstellern durchweg die Spannung halten. Und es macht deutlich, wie sich dieses System seit Ewigkeiten selbst erhält – und zu welchem Preis.
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