La Vérité Frankreich, Japan 2019 – 107min.
Filmkritik
Eine Liebeserklärung an die Kunst des Flunkerns
Hirokazu Kore-eda verbeugt sich in seinem ersten im Ausland realisierten Film vor dem französischen Kino und seinen Stars.
Catherine Deneuve ist eine der «grandes dames» des französischen Kinos, eine just solche spielt sie nun in La vérité. Fabienne Dangeville, wie sie hier heisst, lebt mit ihrem Lebensgefährten und ihren Assistenten in einem Haus mit Umschwung in Paris. «Belle de Paris» steht mit Verweis auf einen von Deneuves grössten Erfolgen («Belle de Jour») auf einem Poster, das an der Wand hängt: Das Leben und das Kino, Erfindung und Wirklichkeit, gehen in diesem Film – und das macht seinen Reiz aus – allgegenwärtig nahtlos ineinander über.
Fabienne feiert demnächst ihren 70. Geburtstag. Sie dreht aktuell einen Film mit einem jungen Regisseur, die Adaption der Kurzgeschichte «Memories Of My Mother» des Sci-Fi Autoren Ken Liu. Sie hat zudem vor kurzem ihre Memoiren veröffentlicht und diese schlicht «La vérité» überschrieben. Anlässlich ihres Geburtstages erhält Fabienne Besuch von ihrer in New York lebenden Tochter, der Drehbuchautorin Lumir – gespielt von Juliette Binoche – deren Gatten Hank und ihrer Enkelin Charlotte.
Es ist ein anfängliches freudiges Zusammenkommen, das allerdings alsbald überschattet wird von Spannungen die aufkommen, weil Lumir feststellt, dass Fabienne es in ihren Memoiren mit der Wahrheit so genau nicht nimmt, beziehungsweise vieles anders schildert, als Lumir es erinnert. Kommt dazu die Aufregung, die entsteht, weil Fabienne fürchtet, ihre Dialoge zu vergessen, und sich zurückgesetzt fühlt, weil sie nicht die Hauptrolle spielt.
Hirokazo Kore-eda inszeniert mit leichter Hand und mit viel Gefühl für seine Figuren beziehungsweise die Menschen, ihr manchmal bizarres Verhalten und das Zwischenmenschliche. Wo in seinen bisherigen Filmen – etwa Shoplifters, After the Storm – ganze Familien im Zentrum standen, konzentriert sich Kore-eda in La vérité auf den Konflikt von Mutter und Tochter. Deneuve und Binoche zusammen sind selbstverständlich sensationell, ein bisschen mehr von Ethan Hawke allerdings hätte man gern gesehen; Fabiennes spitze Attacken gegen den in ihren Augen subalternen US-TV-Schauspieler-Schwiegersohn geben dem Film Feuer.
Doch das ist Kritik auf hohem Niveau. Alles in allem ist La vérité nicht nur ein grossartiges Mutter-Tochter-Drama, sondern auch eine kluge Abhandlung über die sogenannte Wirklichkeit und die Kunst des Erzählens sowie eine magische Macht des Kinos, die zulässt, dass die Enkelin es für bare Münze nimmt, wenn behauptet wird, die Oma habe Opa in eine Schildkröte verwandelt.
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Kommentare
Ein guter Film für den Wiedereinstieg ins Kino. Dafür werden Filme gemacht!
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