Das geheime Leben der Bäume Deutschland 2019 – 96min.
Filmkritik
Der Baum-Versteher aus Hümmel
Jörg Adolphs Film um den deutschen Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben eröffnet ungeahnte Einblicke in das komplexe (Zusammen-)Leben von Bäumen.
„Nun schreit mal schön“, fordert Peter Wohlleben mitten im Wald die um ihn stehenden Kinder auf. „Aber da sind doch Tiere, die wir erschrecken“, sagen die Kinder. „Ja, da sind Tiere“, erklärt Wohlleben. Doch erschrecken würden die Kinder diese mit Lärm nicht, sondern im Gegenteil diesen zu verstehen geben, dass sie keine Jäger sind. Er kennt den Wald genau, der Forstwirt Peter Wohlleben. Er lebt, 1964 in Bonn geboren, seit 1991 in der Gemeinde Hümmel, in der Rheinland-Pfalz. Der Wald ist seine Leidenschaft, hier fühlt er sich, von Statur ein Hüne, zuhause.
Tatsächllich weiss Wohlleben unheimlich viel über Fauna und Flora. Und er weiss dieses aus eigener Erfahrung geschöpfte und der Forschung verdankte Wissen verständlich zu vermitteln. Nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen. Bei Führungen und Vorträgen in der eigenen Akademie, auch bei TV-Auftritten, Lesungen und in Interviews: Spätestens seit sein Sachbuch mit dem gleichen Titel wie dieser Film bei Erscheinen 2015 die Bestsellerlisten stürmte und in der Folge in diverse andere Sprachen übersetzt wurde, ist Wohlleben ein gefragter Mann.
Dieser Erfolg steht im Widerspruch zu Wohllebens genuiner Bedächtig-, und der von ihm vorgelebten Achtsamkeit. Man kann das als Ironie des Schicksals verstehen. Oder deuten als Zeichen der heutigen Zeit, in welcher Klimaaktivisten und Naturschützer ein gesteigertes Umweltbewusstsein fordern und ein Mann wie Wohlleben der breiten Masse als eine Art Messias erscheinen mag.
Tatsächlich orientiert sich Jürg Adolphs Film denn auch nicht an der Buchvorlage, sondern baut sich auf rund um deren Autor, den er über Monate bei seinen beruflichen Tätigkeiten begleitet. Auf einer zweiten Ebene treten dazu zum Teil sensationelle Naturaufnahmen, geschossen von Jan Haft. Zeitraffer-Sequenzen, die sichtbar machen, was dem menschlichen Auge per se verborgen bleibt: die langsamen Bewegungen von Pflanzen, ihr Spriessen und Wachsen.
Ab und an wird mittels Bildbearbeitung zusätzlich visualisiert, was der Laie kaum zu erkennen vermag. Die unterirdische Vernetzung von Wurzeln. Das Fliessen von Säften. Die Tatsache, dass Bäume eine Art Lebewesen sind, die sich sozial verhalten. Obwohl er aller gestalterischen Anstrengungen zum Trotz bisweilen belehrend wirkt, gelingt Das geheime Leben der Bäume eindringlich zu vermitteln, was Wohllebens Anliegen ist: Dass der Mensch im Umgang mit der Umwelt – Bäumen und Wäldern – dringend umzudenken hat.
Dein Film-Rating
Kommentare
Ein wahrer Augenöffner! Besonders eindrücklich fand ich die Kommunikation der Bäume, resp. ihr intelligents soziales Wassermanagement, und das Beispiel mit den Vibrationen der Forstwirtschaft-Raupenfahrzeuge: Je grösser die Raupe, desto SCHLIMMER die Bodenverdichtung. Obwohl der Druck abnimmt, wirkt die Raupe wie eine Antenne der Vibrationen. Je grösser die Raupe, desto stärker die Vibrationen, desto grösser die Bodenverdichtung, desto extrem weniger die Fähigkeit des Bodens zur Wasserspeicherung (90% weniger bis zu zwei Meter Tiefe).… Mehr anzeigen
Der Film hätte eigentlich "Das geheime Leben des Peter Wohlleben" heissen müssen. Obschon Fan des Autors und Försters, hätte ich mir mehr Wissen und Bilder über Bäume und Natur gewünscht und weniger Vorträge, Autogrammstunden, etc.
Nicht nachvollziehbar ist, warum gezielte Wiederaufforstung unnötig sein soll. Natürlich samen Bäume ab, aber wenn rund um einen gerodeten, abgebrannten oder von Sturmschäden zerstörten Wald vor allem Fichten stehen, dann werden auch solche nachwachsen. Für eine gezielte Auffrischung und Durchmischung des Waldes, gerade auch
im Hinblick auf vermehrte Biodiversität, macht Aufforstung sehr wohl Sinn.
Ansonsten bin ich mit vielem, was Peter Wohlleben sagt, einverstanden, und ich hoffe, dass die Kinogänger den Nutzen und Wert des Waldes noch mehr schätzen werden als bisher.
P.S. Es sollte erwähnt werden, dass in der Schweiz die Wälder wesentlich sorgfältiger bewirtschaftet werden als in anderen Ländern, somit entsteht auch weniger Bodenverdichtung und Schaden an der Natur. Trotzdem kaufen die Leute lieber Holz aus dem Ausland, weil es günstiger ist. Einfach mal nachdenken, was langfristig mehr Kosten verursacht, dann etwas tiefer ins Portemonnaie greifen und sich mit gutem Gewissen an einheimischem Holz erfreuen!… Mehr anzeigen
Ja, da haben sie Recht: In der Schweiz werden die Wälder viel zu intensiv bewirtschaftet. Bei uns kann man eigentlich gar nicht mehr von Wäldern reden, sind ja eher Parks. Von Wildheit und Unterholz keine Spur mehr. Ein Baum, drei vier Meter nichts, dann der nächste Baum. Ich persönlich würde diese Forst-WIRTSCHAFT, und diese Mentalität, nicht auch noch fördern, indem ich denen Holz abkaufe, dass sie 1000 mal lieber stehen resp. liegen lassen hätten sollen!… Mehr anzeigen
Zuletzt geändert vor 4 Jahren
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