Sin señas particulares Mexiko, Spanien 2020 – 97min.

Filmkritik

Verschollen in der Todeszone

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

In „Sin señas particulares“ sucht eine Mutter ihren Sohn im Todesstreifen Nordmexikos. Der Film kreiert eine zwischen Furcht, seelischem Schmerz und Hilflosigkeit aufgeladeneStimmung und überzeugt trotz seiner mystischen Überhöhung als mitreissend erzähltes dramatisches Roadmovie.

Zusammen mit einem Freund begibt sich Jesús (Joan Jesús Varela) mit dem Bus 670 in Richtung US-amerikanischer Grenze. In den USA erhoffen sie sich ein besseres Leben.Monate später findet die Polizei die Leiche von Jesús‘ Freund. Von Jesús selbst fehlt jede Spur. Seine Mutter Magdalena (Mercedes Hernández) glaubt, dass ihr Sohn noch lebt. Sie reist in die berüchtigte Todeszone Nordmexikos. Im Niemandsland begegnet sie Menschen, die ihr Schicksal teilen. Doch wird sie ihren Sohn je widersehen?

Regisseurin Fernanda Valadez schickt ihre weibliche Hauptfigur auf eine zermürbende Reise, die man stringent und ohne Umschweife aus der Sicht Magdalenas miterlebt. Es ist die Perspektive einer von Angst und Verzweiflung durchzogenen Frau. Einer Mutter, die ihr Ziel dennoch klar vor Augen hat („Ich komme erst zurück, wenn ich weiss wo mein Sohn ist“).

Die Nähe zur Hauptfigur erzeugt der Film weniger durch ausschweifende Dialoge als vielmehr durch eine überlegte, auf Magdalena konzentrierte Kameraarbeit und eine wohldosierte Stimmung beständiger (An-)Spannung. Denn je näher Magdalena der Grenze kommt, desto näher rückt sie der Wahrheit.

Ein trostloses, schockierendes Bild zeichnet Valadez von den grenznahen Orten (verlassenes und verwahrlostes Ödland, in denen kriminelle Banden das Sagen haben) und der Grenzeselbst. Dort herrschen Tristesse und Hilflosigkeit, die sich in den Gesichtern der Verwandten und Mütter wiederspiegeln, die ihre Kinder suchen. Stattdessen bekommen sie inLeichensäcke abtransportierte Tote und Lagerhäuser voller Rucksäcke und Habseligkeiten zu Gesicht.

Schade ist, dass Valadez bei der Zeichnung anderer Charaktere und Nebenfiguren etwas weniger sorgsam vorgeht. Der Zugang zu ihnen fällt schwerer, auch wenn ihr Schicksal berührt. Darunter ein aus den USA ausgewiesener Junge. Mit ihm sucht Magdalena nach dessen Mutter und nach weiteren Hinweisen auf Jésus‘ Verbleib. Nicht immer klar ist auch, was Valadez mit allen den Metaphern, der (tierischen) Symbolik sowie den religiösen und mystischen Elementen, die sich schon auf dem Plakat andeuten, ausdrücken möchte.

Herausragend allerdings sind die majestätischen Aufnahmen der nordmexikanischen Steppen- , Wüsten- und üppigen Berglandschaften, in denen sich Magdalena zu verlieren droht. Mit seinen in magisches Licht getauchten Bildern erzeugt „Sin señas particulares“ visuelle Pracht und Momente der Einkehr. Und das inmitten des grössten emotionalen Leids und scheinbarer Ausweglosigkeit.

25.01.2021

3.5

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