Tambour battant Schweiz 2019 – 90min.
Filmkritik
Fanfaren, Politik und Liebesgetändel
François-Christophe Marzal lässt in seiner beschwingten 70er-Jahre-Komödie die göttliche Ordnung in einem Walliser Dorf zünftig Kopf stehen.
Wallis, Frühjahr 1970. Wie überall in der Schweiz bewegen Überfremdungsinitiative und die anstehende Abstimmung über die Einführung des Frauenstimmrechts die Gemüter. Doch für fast noch mehr Turbulenzen sorgt im Dorf Monchoux – gedreht wurde in Saillon – das nächste Eidgenössische Musikfest. Demnächst nämlich sollen die teilnehmenden Musikgruppen ausgewählt werden. Doch wie der Dorfwinzer Aloys, der auch den Taktstock schwingt, bei der Probe feststellt, bläst Monchoux‘ Kapelle aus dem letzten Loch: Die Musikanten sind aus der Übung, es fehlt an Disziplin und vor allem an Nachwuchs.
Derweil Aloys den verschlafenen Haufen mit allen möglichen Mitteln auf Vordermann zu bringen versucht, rufen andere hinterrücks seinen Jugendfreund Pierre zu Hilfe. Der hat Monchoux vor Jahren verlassen, als Rockmusiker international Karriere gemacht und musikalisch völlig andere Ideen als Aloys. Er setzt nicht auf Tradition, sondern auf Weltmusik und Fusion, holt zur Unterstützung Gastarbeiter mit an Bord und fortan sind in Monchoux zwei Musikformationen am Proben.
François-Christophe Marzal (Attentions aux chiens) hat das alles mit viel musikalischem Pepp sowie feinem Gespür für historische Hintergründe und lokale Eigenheiten aufgezogen. Tatsächlich sind im Wallis Musikkapellen oft auch politisch aufgestellt und im Chermignon sollen sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts zwei Blasmusikformationen rivalisieren. Abgesehen davon setzt er, wie es sich in einer klassischen Komödie gehört, auf starke und eigenwillige Figuren. Und wie fast immer, wo zwei Männer sich streiten, geht es auch in Tambour battant letztlich um die Liebe und die Frauen. Konkret um Aloys‘ Gattin Marie Therese, selbstbewusst, schön, frauenbewegt und einst Pierres Geliebte; eine grossartige Rolle für Sabine Timoteo und von dieser stark gespielt, auch Pierre Mifsud und Pascal Demolon sind in den Rollen sich ewig kabelnder Nebenbuhler gut besetzt.
Was leider nicht bedeutet, dass Tambour battant rundum gelungen ist. Etwas zu offensichtlich bewegt sich Marzals Film im Fahrtwasser sowohl von Die göttliche Ordnung, wie auch in der Nachfolge britischer Brassband-Comedys wie Brassed Off. Abgesehen davon getraut sich Marzal leider auch erzählerisch nicht zu gewichten, tischt mit Brimborium viel Nebensächliches auf und sein Film verliert dabei zunehmend an Fokus. Was nicht heisst, dass man sich in Tambour battant nicht köstlich amüsiert. Aber weniger wäre hier eindeutig mehr gewesen.
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