Careless Crime Iran 2020 – 139min.
Filmkritik
Was war und was ist
Einfach zu goutieren ist der Film des iranischen Regisseurs Shahram Mokri wirklich nicht. Weil er mehr als nur eine Geschichte erzählen will. Er erzählt vom Kino selbst – oderzumindest war das seine Ambition.
Das Jahr 1978: Vor der islamischen Revolution sterben in einem iranischen Kino Hunderte Menschen. Sie fallen einem Brandanschlag zum Opfer. Im Jahr 2020 will eine radikale Gruppe diesen Anschlag wiederholen und hat sich auch schon das passende Kino ausgesucht, das erneut bis zum letzten Platz gefüllt ist. Zwei Handlungsstränge, die einander ähneln, aber Abweichungen aufweisen – und ein Film im Film auf der Leinwand, der eine Art Meta-Kommentar auf diese Geschichte abliefert.
Lineares Erzählen ist Mokris Ding bei «Careless Crime» nicht. Er wechselt die Erzählebenen, ebenso wie die Perspektiven und das Personal. Mal geht es um den Anschlag von 1978, mal um den neuen von 2020, mal um drei Soldaten, die sich auf einen Kinobesuch freuen, oder um zufällige Begegnungen in und ausserhalb des Kinos. Was Mokri hier offenkundig untersuchen will, ist die Banalität des Lebens. Es sind Zufälle, ob man lebt oder stirbt, während man sich in Gesprächen vertieft, die immer wieder repetitiv sind. Mokri stellt hier durchaus das echte Leben dar, leicht macht er es dem Zuschauer damit aber nicht. Weil das Leben oftmals nicht dramatisch genug ist.
Dabei haben beide Geschichten in diesem Film Potenzial. Solches, das Mokri aber nur bedingt aufruft, weil er sich mehr dafür interessiert, einen komplexen Flickenteppich der Erzählungen zu weben. Zudem erfreut sich Mokri am Spiel mit den Zeitebenen, die hier fliessend sind. Herauskommt ein Verwirrspiel, dessen handwerkliche Fertigkeit man schätzenkann, das narrativ und dramaturgisch aber nicht in den Bann zieht. Stattdessen bleiben ein paar inszenatorische Sperenzchen im Gedächtnis haften.
Während man inhaltlich nur wenige Anschlusspunkte an den Film findet, kann man die Zeitschleife, mit der Mokri hier hantiert, zumindest faszinierend finden, weil sie es ihm nicht nur erlaubt, Vergangenheit und Gegenwart eins werden zu lassen, sondern so auch auf natürliche Art und Weise ein Iran vor dem Sturz des Schahs zeigen, das mehr an den heutigen Zustand erinnert. Da steckt sicherlich eine Form von Sozialkritik drin, die den iranischen Sittenwächtern aber wohl entgangen ist.
All das macht «Careless Crime» zu einem zwar nicht befriedigenden, aber durchaus interessanten Film, der zumindest den Blick eines westlichen Publikums auf eine andere Art des Erzählens offenbart. Ein Film für jedermann ist dies aber sicherlich nicht, dafür werden sich an ihm die Geister zu sehr scheiden.
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