Die Adern der Welt Deutschland, Mongolei 2020 – 96min.
Filmkritik
Ahnenweisheit aus Kinderkehle
Im ersten Spielfilm von Byambasuren Davaa träumt ein mongolischer Nomadenjunge von einer Karriere als Sänger. Der Film ist auch eine Warnung vor dem Verschwinden traditioneller Lebensweisen und dem Raubbau an der Natur.
„Es war einmal vor langer Zeit, ehe die Habgier die Menschen beherrschte, (…), unsere Erde aus Gold gewebt“, heisst es im Lied, das der zwölfjährige Amra von seinem Vater lernt. Weiter heisst es darin, dass, „wenn die letzte Goldader aus dem Boden gezogen“ ist, die Dämonen erwachen, das Leben für immer ausgelöscht wird und die Erde zu Staub zerfällt.
Amra lebt mit seinen Eltern, Zaya und Erdene, und seiner Schwester in der mongolischen Steppe. Die Familie wohnt in einer Jurte, hält Ziegen und Schafe, ein Pferd und einen Hund. Tagsüber kümmern sich die Frauen um die Tiere. Erdene aber chauffiert Amra im selber gebauten Auto zur Schule und fährt danach weiter zum Markt.
Hier verkauft er Käse und repariert Motoren. Zugleich betreibt er Networking: Der Erhalt der traditionellen Lebensweise ist ihm ein Anliegen und er versucht die Nomaden zu mobilisieren für den Kampf gegen globale Konzerne, welche auf der Suche nach Gold die Steppe umgraben. Ein Fünftel der Mongolei, heisst es im Film, sei derzeit als Bergbaugebiet ausgewiesen. Die Renaturierung ist versprochen, findet aber nicht statt. Anders als ihr Mann möchte Zaya eine in Aussicht gestellte Abfindung einstreichen und in die Stadt ziehen.
Amra kümmert das wenig. Er geht zur Schule, schaut mit seinen Kameraden Youtube-Filmchen und träumt davon, beim „Mongolia’s Got Talent“ als Sänger entdeckt zu werden. Nach langem Bitten erhält er von seinem Vater schliesslich die zur Teilnahme nötige Unterschrift. Mehr noch: Als Erdene erfährt, dass Amra am TV das Lied der goldenen Adern singen will, gibt er ihm gute Tipps und chauffiert ihn zur Ausscheidung. Doch dann geschieht ein Unfall, der das Leben der Familie radikal verändert.
Byambasuren Davaa, 1971 in der Mongolei geboren, heute in Deutschland wohnhaft, hat sich schon in den Dokumentarfilmen „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ und „Die Höhle des gelben Hundes“ mit der traditionellen Lebensweise der Mongolen beschäftigt. In ihrem ersten Spielfilm setzt sie diese Auseinandersetzung fort. Obwohl die Story fiktiv ist, wurzelt das Geschehen in der Realität. Weitgehend aus der Sicht seines jungen Protagonisten gedreht thematisiert der Film in sensationellen Landschaftsaufnahmen und leisen Tönen, was laut alarmieren sollte: dass der ungebremste Raubbau an der Natur für die Erde und deren Bewohner tödlich enden wird.
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