Lovecut Österreich, Schweiz 2020 – 94min.
Filmkritik
Liebe und Sex in digitalen Zeiten
In lose verflochtenen Episoden erzählt „Lovecut“ von sechs Jugendlichen, die ihre Identität entdecken und ihr Liebesleben erkunden. Der Film schildert die Lebensrealität der Generation Z, deren Alltag von sozialen und digitalen Medien bestimmt wird.
Der freigeistige Ben (Max Kuess) gerät schon mal mit dem Gesetz in Konflikt. Auch Luka (Lou von Schrader) liebt ihre Freiheiten. Mit Kitsch und übertriebener Romantik kann sie nichts anfangen, ganz im Gegensatz zu ihrer Freundin Momo (Melissa Irowa). Im Videochat hat sie Alex (Valentin Gruber) kennengelernt, der ihr verschweigt, dass er im Rollstuhl sitzt. Unterdessen drehen Jakob (Kerem Abdelhamed) und Anna (Sara Toth) private Sexfilmchen. Doch Anna ist noch minderjährig und damit begeben sich die Zwei in die Illegalität.
In ihrem Debütfilm loten Iliana Estañol und Johanna Lietha die Gefühlswelt ihrer jugendlichen Charaktere aus. Sie durchleben Unsicherheiten, widersprüchliche Emotionen, stürmische Phasen der ersten Verliebtheit oder eine tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit. Vereint sind sie in ihrer schwierigen Beziehung zu den eigenen Eltern. Diese haben zunehmend Probleme, zu ihren an der Schwelle zum Erwachsenenalter stehenden Kindern durchzudringen. Schon hier zeigt sich: Die Vielfalt an Themen, die Estañol und Lietha in ihrem Episodendrama behandeln, ist beachtlich. Ausserdem begegnen sie ihren Figuren jederzeit mit dem nötigen Ernst und der erforderlichen Aufmerksamkeit. Und dazu gehört eben auch eine Generation zu porträtieren, die sich heute vielfach anders und auf eigene Weise Aspekten wie Beziehung, Liebe und Sexualität annähert – weil ihr ganz andere (technische) Wege und moderne digitale Möglichkeiten offenstehen.
Man sieht junge Menschen, die sich über Dating-Apps kennenlernen, sich per Skype zum ersten Mal sehen, virtuellen Sex haben oder selbstgedrehte Sexfilme ins Netz laden. Estañol und Lietha zeigen die reale Lebenswirklichkeit Heranwachsender. Und bei alledem punktet ihr Film darüber hinaus mit einer schlanken Erzählung und unmittelbaren Erzählweise, die ohne unnötigen Storyballast auskommt. Das ist gerade bei episodisch angelegten Produktionen nicht immer die Regel, doch in „Lovecut“ wirkt alles stimmig und klar. Das trifft ebenso auf die miteinander zusammenhängenden Erzählfäden zu. Lose und in Nuancen, aber nie zu offensichtlich oder gewollt, hängen die Einzelgeschichten miteinander zusammen.
Und zuletzt erzeugt „Lovecut“ mit seinen ungeschliffenen, dokumentarisch anmutenden Handkamerabildern eine grosse Nähe zu den Figuren. Verkörpert werden diese überraschend ungekünstelt und ausdrucksstark von den jugendlichen Darstellern. Überraschend deshalb, da es sich bei ihnen grösstenteils um auf der Strasse gecastete Laien ohne Schauspielerfahrung handelt.
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