CH.FILM

Spagat Schweiz 2020 – 110min.

Filmkritik

In den Fallstricken einer Liebe

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Christian Johannes Koch erzählt von den fatalen Folgen, welche die Beziehung einer Schweizerin mit einem sich illegal in den Schweiz aufhaltenden Ukrainer, auf ihre beiden Familien hat. Ein sich im Schweizer Mittelland und Mittelstand verortendes, phasenweise hoch emotionales Drama, das durch tolle schauspielerische Leistungen ebenso überzeugt wie durch eine gegenwärtige Erzählweise, die es Koch erlaubt, brennende Themen wie Asylpolitik, Mehrklassengesellschaft und persönliche Moral locker aufzugreifen.

Marina unterhält eine heimliche Liebschaft mit Artem. Sie ist verheiratet, hat eine Tochter und arbeitet als Lehrerin. Artem ist vor einigen Jahren aus der Ukraine in die Schweiz gekommen. Er hat eine Tochter, arbeitet auf dem Bau, die beiden haben nie die für ihren Aufenthalt in der Schweiz nötigen Papiere erhalten. Abgesehen davon ist Ulyana Marinas Schülerin.

Eine Weile läuft es zwischen Marina und Artem ganz gut. Man trifft sich während Ulyanas Kunstturntraining, Marina deklariert ihre Abwesenheiten als Jogging mit Freunden. Doch eines Tages vermisst eine Klassenkameradin von Ulyana ihre neuen Kopfhörer. Als Marina besagte Kopfhörer in Ulyanas Zimmer entdeckt, steckt sie diese ein und bringt sie der Besitzerin zurück.

Damit löst eine Reihe verhängnisvoller Ereignisse aus. Denn als Ulyana die Kopfhörer am nächsten Morgen nicht findet, zieht sie in der Absicht, diese zurückzugeben, los, um sich im Supermarkt neue zu beschaffen. Sie wird ertappt, Artem muss antraben, spätestens als er, um zu bezahlen eine ihm von Marina geschenkte Kreditkarte zückt, wird es ungemütlich.

Christian Johannes Koch hat «Spagat» aus der Sicht Marinas aufgezogen, erzählt de facto aber viele verschiedene Geschichten. Diejenige von Ulyana, die sich in der Schweiz zuhause fühlt, aber als Kunstturnerin offiziell nicht brillieren darf. Die von Artem, der seine Träume platzen sieht. Diejenigen von Marinas Mann und Tochter, die, obwohl von ihr hintergangen, nicht anders können als Marinas Bemühungen, das Schlamassel wieder gut zu machen, zu unterstützen. Nicht zuletzt diejenige von Marina, die unbeabsichtigt Unheil anrichtet.

Koch erzählt sehr direkt, konzentriert auf gegenwärtige Situationen und die jeweiligen Szenen, die Emotionen seiner Figuren. Sein Film lebt vom starken Spiel der Hauptdarstellerin Rachel Braunschweig ebenso wie von der Natürlichkeit, mit der Nellie Hächler und Masha Demiri in ihrem Filmdebüt vor der Kamera agieren. Ein klein wenig bedauerlich ist – aber das ist Klagen auf hohem Niveau –, dass in diesem von einem Mann gedrehten «Frauenfilm» die beiden Männer, die mit Marina eine Beziehung unterhalten, ihr nie ganz auf Augenhöhe begegnen.

22.06.2021

4

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 3 Jahren

Alle verlieren in diesem Film. Sogar das Auto.
Dass es schief rauskommen muss, und dann auch so kommt, ist fast ein Spagat.
"Härtefall" wäre eine Lösung - seitens der Behörden, der Verwaltung - geht aber wie oft auf Kosten des Mädchens, der Frau...
(Wer seinerzeit einen Ausländer geheiratet hatte, verlor als Schweizerin ihr Bürgerrecht, und wurde nach Deutschland zurück geschickt, als Jüdin in den Tod, im Nachkriegsdeutschland dann in Entbehrung. Mögliche Gesetzeslücken wurden nicht ausgereizt, sondern sorgsam gestopft.

Später Sasisonnierstatut, mit Kindern die versteckt wurden.

Heute nur unwesentlich besser mit dem Schulbesuch der Papierlosen)...

>> insofern die Ausschaffung am Schluss schockierend - auch fürs Publikum.


PPS: Da die Schweiz klein, tauchen viele Schauspieler auf, die anders erinnert werden...Mehr anzeigen


Filmenthusiast

vor 3 Jahren

Fremdzugehen heisse ich nicht gut, doch dieser Film ist wirklich etwas ganz besonderes


yaethu

vor 3 Jahren

Geilster Film Ever, endlich Einmal ein Film der ein wenig die Realität aufzeigt und auch noch Gesellschaftskritisch ist.


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