The Disciple Indien 2020 – 127min.
Filmkritik
Klangvolle Ernüchterung in den Widersprüchen Mumbais
Langsam und atmosphärisch lässt dieses indische Drama seiner Musik fast so viel Raum wie seinem Protagonisten und kreiert dabei eine Welt, die gleichzeitig voller Klänge ist, deren Stille es aber ist, die zuletzt nachhallt. Ein Liebhaberfilm, der mit raffinierten Dialogen und einer nüchtern-empathischen Darstellung punktet.
Kritik von Michael Ulrich
Sharads Leben ist die klassische indische Musik. Tag und Nacht begleitet ihn deren Studium und Ausübung; Raum für anderes bleibt kaum. Stets sieht er sich aber mit Enttäuschungen konfrontiert, sei es, wenn er einen Wettbewerb nicht gewinnt oder sein Guru Sharads Hingabe infrage stellt. Trotz fortwährender Anstrengung, stetiger Meditation und kompromissloser Zuwendung zur Musik scheint das Ziel nicht näher zu kommen. Und die widersprüchliche Realität lässt sein ganzes Streben zunehmend in einem anderen Licht erscheinen.
Chaitanya Tamhanes zweiter Film The Disciple, der bereits am Venice International Film Festival prämiert wurde, ist eine Ode an die indische Musik. Doch The Disciple ist nicht ein Musikfilm, wie man ihn kennt. Seine Klänge irritieren zu Beginn, die Harmonie darin stellt sich erst mit der Zeit ein. Trotzdem zeigt sich bald die Schönheit dieser Musik, deren Ruhe der Film selbst mit seiner langsamen Kameraführung und den sparsam eingesetzten Schnitten widerspiegelt.
Um diese atmosphärische Darstellung zu erreichen, muss der Film jedoch anderswo grosse Kompromisse eingehen. So ist die ohnehin schon spärliche Handlung träge und die angetönten Konflikte laufen bis zum Schluss ins Leere. Ähnlich wie bei Sharad stellt sich bei den Zuschauern eine Ernüchterung ein. Diese wird zwar zuweilen durchbrochen, dies aber in solcher Inkonsequenz, dass stets wieder der gewohnte Trott einsetzt. Auch die vermeintlich versöhnlichen Schlussszenen können dabei den Mangel an Zielgerichtetheit nicht überdecken.
The Disciple stellt einen Exkurs dar in eine Welt, die wohl den meisten unbekannt ist, und zeigt, ohne zu romantisieren, wie alltäglich und menschlich auch diese Welt ist. Schaut man über seine Länge und Langsamkeit hinweg, offenbart der Film trotz allem eine Schönheit, die in der Musik und deren authentischen Darstellung liegt, für die sich ausführlich Zeit genommen wird. Statt der Entwicklung des Protagonisten wird die Momentaufnahme in den Vordergrund gestellt, wodurch beinahe ein Gemälde entsteht, das aber nicht nur den Seh-, sondern auch den Hörsinn bedient.
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