Tove Finnland, Schweden 2020 – 100min.

Filmkritik

Irrungen und Wirrungen im Trollenland

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Zaida Bergroth schildert, wie die Finnin Tove Jansson in jungen Jahren mit ihrem künstlerischen Talent hadert und sozusagen nebenbei die trollartigen Mumins erfindet, die sie später weltbekannt werden lassen. Das Biopic erzählt mitreissend auch von seiner bisexuellen Protagonistin Suche nach Identität und Selbstbestimmung in einer Gesellschaft und Zeit, in der diese (noch) nicht selbstverständlich sind.

Tove Jansson (1914-2001) ist heute eine von Finnlands erfolgreichsten Künstlerinnen. Bekannter allerdings als sie selber sind die von ihr kreierten Mumins: nilpferdartige Fabeltrolle, die in den tiefen Wäldern Finnlands hausen. Von Jansson Ende als Comicfiguren erschaffen, traten die Mumins Ende der 1940er-Jahre einen Eroberungszug rund um die Welt an. Heute sind sie nicht nur in Bücher und Comics, sondern auch in Hörspielen und Filmen anzutreffen, und ihre Schöpferin gilt als eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Skandinaviens.

Regisseurin Zaida Bergroth fokussiert in ihrem Biopic auf die stürmischste Phase in Tove Janssons Leben, die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. 1914 als Tochter eines Bildhauers und einer Grafikerin geboren, ist Jansson in Künstlerkreisen aufgewachsen. Sie hat in den 1930er-Jahren in Stockholm und Helsinki Illustration, Graphik und Malerei studiert. Die Beziehung zu ihrem Vater, der seinerseits Bildhauer ist und ihre Werke nicht als Kunst anerkennt, ist kompliziert. Jansson selber zweifelt an ihrem Talent. Ihre Gemälde genügen ihren eigenen Ansprüchen nicht. Ihre Illustrationen und zum Teil politisch bissigen Karikaturen betrachtet sie bloss als Mittel zum Broterwerb, und die kurzen Episoden aus dem Leben der Mumins, die sie zwischendurch mit lockerer Hand hinwirft, sind für sie höchstens kurzweiliger Zeitvertreib.

Nach Kriegsende zieht Jansson bei den Eltern aus. Sie lebt von der Hand in den Mund, verkehrt in Helsinkis Bohème-Kreisen, mag Partys und Geselligkeit. Sie schlittert in eine Beziehung dem verheirateten Politiker Atos Wirtanen. Verliebt sich wenig später in die ebenfalls verheiratete, aufstrebende Theaterregisseurin Vivica Bandler und steht fortan im Clinch zwischen dem Mann, den sie gerne heiraten möchte, und der Frau, der sie emotional verfällt. Sie folgt Bandler nach Paris, muss da aber feststellen, dass diese ein noch grösserer Freigeist ist als sie und kehrt nicht unbedingt glücklicher wieder in die Heimat zurück.

Bergroth entwickelt ihren Film entlang von Janssons künstlerischem Werdegang und ihren Beziehungen, wobei die Unbeständigkeit der Letzteren prägender wirkt, als der sich allmählich einstellende berufliche Erfolg. Gegen Ende von «Tove» begegnet Jansson ihrer späteren Lebensgefährtin, der Grafikerin Tuulikki Pietilä.

Bergroth hat ihren Film in warmen Farben und mit grossem Flair für kleine Details inszeniert. Sie hat das fesselnde Biopic einer empfindsamen jungen Frau geschaffen, die ihrer Zeit voraus weder in ihrer Kunst, noch in ihrer Lebensgestaltung bereit ist, Kompromisse einzugehen. Sie setzt dabei vor allem auf ihre charismatische Hauptdarstellerin Alma Pöysti, der es mit verblüffender Leichtigkeit gelingt, Janssons widersprüchlichen Seiten glaubhaft zum Leben zu erwecken. Als nicht unbedingt glücklich erweist sich für den mit Janssons Werk nicht vertrauten Zuschauer der Entscheid, die Entstehungsgeschichte der Mumins etwas nebensächlich abzuhandeln. Man hätte zu gerne noch etwas über die Herkunft dieser trolligen und lebensklugen Fabelwesen erfahren, die seit 70 Jahren nicht nur Kinder begeistern.

06.12.2021

4

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