A Hero Frankreich, Iran 2021 – 127min.

Filmkritik

Packendes Netz der Ambivalenzen

Walter Gasperi
Filmkritik: Walter Gasperi

Ist Rahim (Amir Jadidi) ein ehrenhafter Mann, der einen Goldfund zurückgegeben hat, oder hat er die Geschichte nur zwecks Selbstinszenierung erfunden? – Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen und meisterhaft verdichtet Asghar Farhadi sukzessive Fragen nach Moral, Ehre und Stolz, aber auch nach medialer Inszenierung und Macht sozialer Medien.

Weil er einem Gläubiger die Schulden nicht zurückzahlen kann, sitzt der etwa 40-jährige Rahim Soltani (Amir Jadidi) im Gefängnis. Dies soll sich aber ändern, denn während eines Freigangs möchte der geschiedene Mann mit den Goldmünzen, die seine neue Freundin (Sahar Goldoust) gefunden hat, zumindest einen Teil seiner Schulden zurückzahlen und so seine Haftstrafe verkürzen.

Als Rahims Schwester (Maryam Shahdaie) aber die Münzen entdeckt und ihren Bruder des Diebstahls verdächtigt, meldet sich Rahims Gewissen und er beschliesst den Fund zurückzugeben. Er plakatiert den Münzfund und bald meldet sich auch eine Frau, die die Tasche beschreiben und die Zahl der Münzen angeben kann. Weil die Frau Rahim deswegen im Gefängnis angerufen hat, wird seine edle Tat auch dort publik. Gefundenes Fressen ist das für die Gefängnisleitung, die den Häftling instrumentalisiert und ihn medienwirksam als guten Menschen und Musterbeispiel für Resozialisierung präsentiert, um von Missständen wie Selbstmorden in der Haft abzulenken.

Auch ein Job bei der Stadt wird Rahim in Aussicht gestellt, doch der dortige Beamte hegt nach Posts auf den sozialen Netzwerken Zweifel an dieser guten Tat und fordert ihn auf, diese zu beweisen. Weil aber die angebliche Besitzerin unauffindbar bleibt, präsentiert er der Stadtverwaltung seine Freundin als Eigentümerin der Münzen.

Wie schon in seinen Oscar gekrönten Dramen «Nader und Simin – Eine Trennung» und «The Salesman» dreht Asghar Farhadi auch hier meisterhaft an der Schraube der Spannung und Verunsicherung. Dicht durchleuchtet der 50-jährige Iraner die unterschiedlichen Beziehungsfelder von der Familie über die Gefängnisleitung und die Stadtverwaltung bis zum Gläubiger und einem Wohltätigkeitsverein, die alle ihre eigenen Interessen verfolgen.

Wie in seinen früheren Filmen überlässt Farhadi die Entscheidung über seinen Protagonisten dabei dem Publikum. Indem vorwiegend aus seiner Perspektive erzählt wird, hegt man zwar eher Sympathien für den zumal am Beginn meist nett lächelnden Mann, doch sicher ist hier nichts. Durchaus möglich ist auch, dass im Grunde der Gläubiger Recht hat, weil er den durchtriebenen Rahim durchschaut hat. Daran ändert am Ende auch nicht Rahims Entscheidung, welche ihn einen hohen Preis kostet, ihm jedoch seinen Anstand und seine Würde zurückgewinnen lässt.

Kurzkritik von Patrick Heidmann:

Auf ein paar Tagen Freigang versucht der wegen Schulden im Gefängnis sitzende Rahim, seine Haftstrafe zu verkürzen, doch der Fund einer Handtasche voller Goldmünzen führt zu einem immer dichter werdendes Netz aus Lügen und Missverständnissen. Oscar-Gewinner Asghar Farhadi kehrt mit dieser neuen Regiearbeit zurück in seine iranische Heimat und zu alter Form. Einmal mehr nimmt er sich Fragen der Ehre und der Moral vor – und verknüpft sie mit den Gefahren von Social Media-Kampagnen und den behördlichen Fallstricken in einer autoritären Gesellschaft. Komplex und sehenswert.

02.05.2022

4.5

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Kommentare

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Manolo

vor 2 Jahren

Schade hat es für keine Oscar-Nominierung gereicht, für mich eines (wenn nicht) der Beste(n) Film(e) des Jahres!


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