Bad Luck Banging or Loony Porn Kroatien, Tschechische Republik, Luxemburg, Rumänien, Schweiz 2021 – 106min.
Filmkritik
Pornografie für Anfänger
In der bitterbösen, schwarzhumorigen Satire «Bad Luck Banging or Loony Porn» kämpft eine Lehrerin um ihren Job und ihr gesellschaftliches Ansehen. Stein des Anstosses: ein privates Sextape.
Eigentlich wollten Emi Cilibiu (Katia Pascariu) und ihr Mann nur etwas Spass haben, als sie ihr kleines privates Sexvideo drehten. Doch bald darauf gelangt der schlüpfrige Clip ins Internet und auf die Smartphones einiger Schüler. Das Schlimme: Emi und ihr Mann sind trotz Maske zu erkennen. Der Sturm der Entrüstung unter der Elternschaft ist gross. Und für Emi könnte es das Ende ihrer beruflichen Laufbahn bedeuten. Doch sie denkt nicht daran, sich dem öffentlichen Druck zu beugen.
Der in drei Kapitel unterteilte Mix aus Sozialsatire, Gesellschaftskritik und Tragikomödie gewann zu Jahresbeginn den Goldenen Bären auf der 71. Berlinale. Für den rumänischen Regisseur Radu Jude der verdiente Lohn, da er mit «Bad Luck Banging or Loony Porn» unserer modernen Gesellschaft radikal den Spiegel vorhält. Und unsere westliche, Ressourcen-verschwendende Lebensweise ebenso wie unseren technologisierten, multimedialen Alltag provokativ in Frage stellt.
Vom Lärm genervte Grossstädter, gestresste Angestellte auf dem Weg zur Arbeit, neureiche SUV-Fahrer, Wutbürger, Influencer und konsumgeile Touristen – sie alle kritisiert Jude ganz unverhohlen und rücksichtslos. Hinzu kommt die Kritik an der Dauerpräsenz der sozialen Medien und an der Wirkungsmacht von Verschwörungstheorien. Letztere vor allem im Zusammenhang mit der «Corona-Thematik», welche im Film häufig präsent ist. Etwa in Form Masken-tragender Passanten oder verunsicherte Bukarester, die misstrauisch an der Supermarkt-Kasse warten.
Im zweiten Kapitel geht Jude collagen-artig auch auf seine Heimat und die seiner Protagonisten ein: die Geschichte und Menschen Rumäniens. Wie in einem filmischen Lexikon arbeitet er sich an Wörtern, Geschehnissen, Personen und Themen ab. Einige stehen stellvertretend für die Kulturgeschichte, Historie und Politik Rumäniens (der Diktator Ceausescu, der Nationaldichter Eminescu u.a.). Andere Inhalte, Assoziationen und Einschübe wirken dagegen wie aus dem Zusammenhang gerissen und völlig konfus. Ein bewusst überspitztes Bild unserer chaotischen Zeit, die für Desillusion und Orientierungslosigkeit steht.
Höhepunkt ist ein (Freiluft-)Verhör im Stil eines Gerichtsfilms. In einer hitzig geführten Debatte muss sich die auf der Anklagebank sitzende Emi die Ansichten der Menschen über Recht und Unrecht vortragen lassen. Die Eltern, religiösen Amtsträger, konservativen Schaulustigen und unbeteiligten Bürger stehen jeweils stellvertretend für eine bestimmte Geisteshaltung, weltanschauliche Ansicht sowie politische Meinung – und fungieren als Spiegelbild der rumänischen Gesellschaft. Süffisant und hintersinnig.
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