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Die Pazifistin - Gertrud Woker: Eine vergessene Heldin Schweiz 2021 – 75min.

Filmkritik

Die Pazifistin - Gertrud Woker: Eine vergessene Heldin

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Fabian Chiquet und Matthias Affolter beleuchten in ihrem collageartigen Dokumentarporträt Leben und Werk der Schweizer Frauenrechts- und Friedensaktivistin Gertrud Woker.

Tante Trudi sei etwas wirr im Kopf, hat man Manfred Woker und seinen Brüdern als Kinder erzählt. Um diese Äusserung zu belegen, hat man jeweils angeführt, dass die 1878 in eine Berner Gelehrten- & Politiker-Familie Hineingeborene sich herausgenommen habe, dem Präsidenten der USA einen Brief zu schreiben. Diesen Brief hat Prof. Dr. Gertrud Woker tatsächlich geschrieben: 1963 forderte sie John F. Kennedy im Namen der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit inständig auf, Atomversuche dringlich zu verbieten.

Mit diesem Brief an Kennedy und dem Blick aus einem Fenster von Gertrud Wokers einstigem Wohnhaus am Thunersee setzt «Die Pazifistin» ein. In der Ferne erkennt man den Gipfel des Niesen. Dann verdunkelt unverhofft eine animierte Atomexplosion die Sicht; am Schluss des Films fliegt im gleichen Bildausschnitt eine Friedenstaube gegen die Alpen. In den 75 Minuten dazwischen erzählen Fabian Chiquet und Matthias Affolter – nicht ohne dabei mit weiteren Griffen in die Trickkiste die raren bildlichen Quellen geschickt aufzupeppen – die Lebensgeschichte der 1968 schliesslich in der psychiatrischen Klinik von Marin Verstorbenen.

Gertrud Woker fiel schon als Kind durch Aufgewecktheit auf, die Matur machte sie mit Bestnoten. Nach Abschluss ihres Studiums (Chemie, Physik) erhielt sie an der Universität Bern ein kleines Labor. Trotz ihren zum Teil bahnbrechenden Forschungen blieben ihr die Meriten als Wissenschaftlerin verwehrt. Ein Grund könnten ihr Lebenswandel als Unverheiratete und ihr Einsatz für die Rechte der Frauen gewesen sein; bereits 1917 forderte sie als eine der ersten Professorinnen Europas gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Mehr ins Gewicht gefallen sein aber dürfte, dass sie als verantwortungsvolle Forscherin es aufgrund ihrer Erkenntnisse als ihre Pflicht betrachtete, vor modernen Erfindungen wie chemischen, atomaren und bakteriologischen Waffen vehement zu warnen. Dadurch machte sie sich nicht nur unbeliebt, sondern auch suspekt und wurde schliesslich als verwirrt verleumdet in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

Chiquet und Affolter stützen sich in ihrem Film auf Wokers Tagebücher, Gedichte und wissenschaftlichen Publikationen sowie Begegnungen mit ihrem Neffen und der Historikerin Franziska Rogger. Ihr collageartiges Filmporträt lässt die Zuschauer eine zu Unrecht vergessene, hoch intelligente, kluge und mutige Frau entdecken, deren Anliegen noch heute hoch aktuell sind.

06.09.2021

4

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