Compartment N°6 Estland, Finnland, Deutschland, Russische Föderation 2021 – 107min.
Filmkritik
Der Zug der Liebe
Eine zufällige Begegnung in einem Abteil zwischen zwei jungen Menschen auf dem Weg nach Murmansk. Ein Zusammentreffen, zwischen zwei Fremden, welche in ihrer Meinung und Haltung nicht unterschiedlicher sein könnten. Laura (Seidi Haarla) möchte die Petroglyphen einer archäologischen Stätte im arktischen Meer besichtigen. Ljoha (Yuriy Borisov) schlägt denselben Weg ein, jedoch aus beruflichen Gründen.
Einen Vorgeschmack auf die exzellente Wirkungeines in Schwarz-Weiss inszenierten Filmes,des finnischen Regisseurs erhielten wir bereits bei «Olli Mäki», der 2016 mit dem «Un Certain Regard Award» ausgezeichnet wurde. Diesmal geht es mehr um Gesellschaftskritik oder besser gesagt um Kontraste zwischen Kulturen und Klassen. Nach dem Roman der Schriftstellerin Rosa Liksom erlebt eine finnische Studentin, deren Weg sich mit dem eines russischen Arbeiters kreuzt, eine Achterbahn von Gefühlen. Es wird unter anderem das berühmte Hass-Liebe-Beziehung-Syndrom behandelt, weswegen Laura von Ljoha angewidert fast am Petersburger Bahnhof aussteigt.
Russland auf der Suche nach sich selbst, frisch aus der Sowjetära. Zwietracht, Geschrei und Missverständnisse schwappen auf den gemeinsamen Boden über. Dank seiner Prosa und seines einzigartigen Stils gelingt es Juho Kuosmanen, nicht, in den simplen Wohlfühlfilm oder die erschöpfte Romanze zu verfallen. Der finnische Filmemacher macht daraus eine rohe und zärtliche Geschichte, indem er den Charme des Films einer spontanen Begegnung entstehen und methodisch wirken lässt. Ja, der Film bietet keine Überraschungen. Aber die Abfolge der Ereignisse führt den Zuschauer durch dieses Road-Movie, welches in seiner Zielsetzung intelligent und in seiner Herangehensweise interessant ist – wie die Beziehung eines Paares im Zeitraffer. Kuhosmanen entstaubt das Klischee der romantischen Komödie, um den Weg dieser beiden Reisenden zu skizzieren. Er kleidet diese Suche mit einem präzisen Ton, der die Liebe und die Jugend heraufbeschwört. Die Zwischenstopps fungieren als Fenster zur Frischluft für das «Paar». Auch das unbändige Bedürfnis, andere Menschen zu treffen und sich in eine völlig neue Umgebung als die eigene zu mischen, wird thematisiert. Eine Zugfahrt als Metapher für eine flüchtige und leidenschaftliche Liebe. Dazu kommen noch die hervorragenden Seidi Haarla und Yuriy Borisov. «Compartment N°6» durchbricht den Rahmen und katapultiert uns in die Tiefen eines trostlosen, kalten, aber romantisch beleuchteten Russlands – die Ruinen eines zerstörten Reiches.
Übersetzung aus dem Französischen von Sven Papaux durch Alejandro Manjon
Dein Film-Rating
Kommentare
Prädikat: Kulturell wertvoll!
Möge einem Putin und seine Anhänger noch so staubig machen, der Film bringt einem die russische Kultur ein gutes Stück näher, was versöhnend und verbindend wirkt und zeigt, dass der normale russische Bürger ganz anderst tickt als jene im Kreml.
Haista vittu!
:-)… Mehr anzeigen
Eine Art Liebesgeschichte oder wie zwei Fremde auf einer Zugfahrt zusammenfinden. Mit wenig Mitteln, aber grosser Gelassenheit erzählt - haista vittu, das war Finnisch.
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung