CH.FILM

Les guérisseurs Schweiz 2021 – 80min.

Filmkritik

Weisser Kittel

Filmkritik: Laurine Chiarini

«Les guérisseurs», der erste Spielfilm der Regisseurin Marie-Eve Hildbrand, der 2021 beim Festival Visions du Réel in Nyon im nationalen Wettbewerb gezeigt wurde, zeichnet ein sensibles und vernünftiges Porträt der heutigen Medizin zwischen dem, was es bedeutet, Pfleger zu sein, und dem, was es bedeutet, gepflegt zu werden.

Francis Hildbrand, Allgemeinmediziner und Vater der Regisseurin, steht kurz vor der Pensionierung und besucht eine Praxis nach der anderen. Als Psychologe, Verschreiber oder Vertrauter teilt er Zeit und Aufmerksamkeit mit seinen Patienten, die vom Neugeborenen bis zur Urgrossmutter reichen, ohne einen Nachfolger finden zu können. Während der eine geht, kommen die anderen: Parallel dazu verfolgt der Film den Werdegang von Medizinstudenten, insbesondere den von Lorena, einer jungen Frau, die positiv eingestellt ist, aber auch Zweifel hat. «Les guérisseurs» bietet eine umfassende Reflexion über die Anwendung des Verbs «heilen» und betont die Bedeutung der Beziehung zwischen Patient und Arzt. Der Film schlägt auch eine Annäherung zwischen allopathischer und alternativer Medizin vor, die sich ergänzen können, ohne den Anspruch zu erheben, den Platz des anderen einzunehmen.

«Man existiert nur dank der anderen, allein stirbt man». Mit diesem Satz in Offstimme beginnt der Film. Auf dem Bildschirm bewegt sich eine weisse, verschwommene Gestalt mit wechselnden Konturen in einer hypothetischen Petrischale: Ist das ein Timelapse einer sich vervielfältigenden Bakterie? In Wirklichkeit handelt es sich um die Silhouette eines gestikulierenden Mannes aus dem Experimentalfilm namens «Monkeyshines n°1». Das Anfügen dieses kurzen Filmes ist eine Hommage an die Ursprünge des Kinos und ein schwer fassbares Mysterium, das darauf hinweist, dass man ein Thema nicht in allen Einzelheiten verstehen kann. Vielleicht ein bisschen wie die Medizin, die Ärzte und Patienten immer wieder überrascht und beschäftigt.

Aber warum pflegen wir überhaupt? Diese Frage, die unter jungen Studenten ebenso viel diskutiert wie vom Allgemeinmediziner illustriert wird, stellt die Empathie in den Mittelpunkt, welche ermöglicht, die Verbindung zwischen zwei Menschen zu aktivieren. «Les guérisseurs» ist ein Film über die intellektuelle Aufmerksamkeit der Studenten, um unzählige Mengen an Texten, Gesten und technischem Wissen zu verarbeiten. Aber auch menschliche Aufmerksamkeit, welche bedeutet, dass sie dem anderen wichtig sind. Im Film äussert sich das in den oft nahen Einstellungen, die dann zu Nahaufnahmen der Gesichter übergehen und auf der Intensität eines konzentrierten Blicks verharren.

Der Titel «Les guérisseurs» (auf Deutsch «die Heiler») könnte auf ein Thema der Alternativmedizin hindeuten, aber das ist nicht der Fall. Die Stärke des Films liegt in den vielen Facetten, in denen die Ausübung der Medizin dargestellt wird, und im Fehlen jeglicher Werturteile. Wenn beispielsweise eine gestresste Studentin eine Heilerin aufsucht, werden das Zuhören und die Unterstützung, die sie erhält, in keiner Weise im Vergleich zu allopathischen Lösungen herabgesetzt. In China, so erzählt ein Student, hat ein Roboter seine Medizinprüfung mit Bravour bestanden. Dies führt uns zur nächsten Auseinandersetzung: Werden Menschen morgen von Maschinen behandelt werden? Das ist nicht sicher, wenn man sich die manchmal skurrilen Antworten des Roboters gegenüber einer Vertreterin der Behörden ansieht.

Heute und in Zukunft ist der Faktor Mensch, der unverzichtbar ist, noch nicht ersetzbar.

Übersetzung aus dem Französischen von Laurine Chiarini durch Alejandro Manjon.

04.01.2022

4

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