Loving Highsmith Deutschland, Schweiz 2021 – 83min.
Filmkritik
Die sich Liebe und Leid von der Seele schrieb
Patricia Highsmith schrieb mit ihren Ripley-Krimis und Romanen wie «Strangers on a Train» Literaturgeschichte. Ihre später gefeierte lesbische Lovestory «Carol» allerdings publizierte sie vorerst unter fremden Name, ihre eigene Homosexualität hielt sie geheim. Eva Vitijas Film ist das fesselnde Biopic einer der schillerndsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts.
«Schreiben ist ein Ersatz für das Leben, das ich nicht führen kann.» Dieser Satz steht in einem der über 50 Tage- und Notizbüchern, die Patricia Highsmith (1921-1995) im Laufe ihres Lebens verfasste. Diese enthalten Gedanken über ihre Arbeit als Schriftstellerin und ihre persönliche Befindlichkeit ebenso wie Notizen und Hinweise zu ihren Romanen und deren Figuren, die, wie Ripley, nicht selten ein Doppelleben führen.
Es findet sich darin aber auch Intimes. Eintragungen betreffend das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter. Rassistische Bemerkungen. Romantische Schwärmereien und über Frauen, denen zeitlebens ihre Liebe galt. Und triste Sermone, wenn eine dieser Lieben zerbrach. Ihre Homosexualität allerdings hielt die 1921 geborene Highsmith aus Rücksicht gegenüber ihrer Familie ebenso wie zum eigenen Schutz bis ins hohe Alter geheim. Ihren zweiten Roman, «The Price of Salt», welcher später den Titel «Carol» erhielt und von der Romanze zweier Frauen erzählt, hat sie 1952 erstmals unter dem Pseudonym Claire Morgan publiziert. Erst die Neuauflage von 1990 gab Highsmith namentlich als Autorin aus. Es war dies sozusagen ihr spätes Coming-Out; Todd Haines hat «Carol» mit Cate Blanchett und Rooney Mara in den Hauptrollen 2015 erfolgreich verfilmt.
Patricia Highsmiths Tage- und Notizbücher wurden nach ihrem Tod 1995 in ihrem Haus im Tessin gefunden. Die Schweizer Filmemacherin Eva Vitija hat diese gelesen und dabei eine ganz andere Person entdeckt als die etwas verbitterte Einsiedlerin, als die man Highsmith in ihren späten Jahren kannte. Ins Bild dieser anderen Patricia Highsmith, sagt Vitija, habe sie sich verliebt. Ihr Film schildert Highsmiths Lebensweg von deren frühen, in Obhut der Grossmutter in Texas verbrachten Kindheit über ihre Jugend bei Mutter und Stiefvater in New York und die zwischen den USA und Europa verbrachte Erwachsenenzeit bis zu den letzten Jahren, in denen sie mit ihren Katzen zurückgezogen im Tessin lebte.
Dabei setzt Vitija Passagen aus Highsmiths Tagebüchern raffiniert in Beziehung zu deren schriftstellerischem Werk. Sie illustriert das Erzählte mit Ausschnitten aus Highsmith-Verfilmungen und erzählt zwischendurch von verblüffenden Entdeckungen, die sie selber während ihrer Recherche machte. Abgerundet wird der Film mit Gesprächen, die Vitija mit einigen von Highsmiths Verwandten Wegbegleiterinnen führen konnte, so etwa der Schriftstellerin Marijane Meaker, mit welcher Highsmith in den frühen 1950er-Jahren in Pennsylvania zusammenlebte, oder mit der ihr bis zum Tod freundschaftlich verbundenen Französin Monique Buffet.
«Loving Highsmith» ist eine mit grosser Sorgfalt gefertigte und ideenreich gestaltete dokumentarische Biografie, die tief in die Geheimnisse und Sehnsüchte der Schriftstellerin Patricia Highsmith einführt. Eine zärtliche Liebeserklärung, die nicht zuletzt dadurch überzeugt, dass sie Verletzung, Enttäuschung und Schmerz nicht ausblendet, sondern als Gegenpol der Obsession begreift, die das schriftstellerische Genie ausmacht.
Dein Film-Rating
Kommentare
Nach dem Film möchte ich endlich mal Hitchcocks strangers on a train ansehen.
Oder The Boy who followed Ripley lesen.
Übrigens: Spoileralarm ein Phänomen erst seit dem Internet. Am Samstag in Zürich erstmals Tagung zum Thema.
Die Tagebücher und Notizbücher von Patricia Highsmith (1921-1995) bildeten die Basis für diesen Dokumentarfilm über die weltberühmte Autorin. Der Regisseurin Eva Vitija ist es verdienstvollerweise gelungen, mit Lebensabschnittspartnerinnen und Familienmitgliedern von Highsmith einfühlsame Interviews zu führen. Tagebuchzitate, Interviews sowie Ausschnitte aus den Verfilmungen von Highsmiths Romanen werden verwoben zu einem Kaleidoskop, blickend auf das Privatleben der lesbischen Autorin.
Es entfaltet sich eine Biografie, welche in der prüden Nachkriegszeit typisch war für viele lesbische Frauen und schwule Männer. Highsmith sah sich gezwungen, ein Doppelleben zu führen. Partnerschaften scheiterten oder mussten geheim gehalten werden. Gegen Ende des Lebens blieb Einsamkeit. ‘Loving Highsmith’ erzählt sowohl die Biographie eines Weltstars der Literatur wie auch eindrückliche queere Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Soweit so gut. Aber ist ‘Loving Highsmith’ ein guter Dokumentarfilm geworden? Nein. Er krankt an formalen Unzulänglichkeiten. Und vielleicht an einem zu kleinen Budget? Zwei Beispiele: Regisseurin Eva Vitija hatte die Idee, sich selbst als subjektive Stimme einzubringen – aber ohne dass man sie sieht. Verwirrend. Welche Stimme hört man jetzt gerade? Die Erzählerin des Films, die Regisseurin, eine gelesene Passage aus Highsmiths Tagebuch? Zu oft sind die verschiedenen Stimmen aus dem Off nicht auseinander zu halten.
Und dann die Musik. Die Sologitarre des französischen Komponisten Noël Akchoté, welche den gesamten Film begleitet. Krampfhaft versucht er in einer Art freier Improvisation Bezug zu nehmen auf die Lebensorte von Patricia Highsmith (USA, London, Frankreich, Tessin etc). Einfach nur schrecklich.
Die Bücher von Patricia Highsmith sind sowohl qualitativ hochstehend wie auch unterhaltend und spannend. Das hat sie so erfolgreich gemacht. Dem Dokfilm ‘Loving Highsmith’ gelingt dies nicht. Inhaltlich qualitativ ja – unterhaltend und spannend nein. Schade.… Mehr anzeigen
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