O Acidente Brasilien 2021 – 95min.

Filmkritik

O Acidente

Maria Engler
Filmkritik: Maria Engler

Joana wird bei einem Streit im Strassenverkehr auf der Motorhaube eines Autos mitgeschleift, doch was wie ein klassischer Fall von Road Rage beginnt, entwickelt sich in eine vielschichtige Erzählung über Moral und Akzeptanz.

Joana ist mit dem Fahrrad zu einem Dolmetscher-Auftrag unterwegs, als sie plötzlich von einem Auto aggressiv überholt wird. Als sie die Fahrerin an der nächsten Ampel stellen will und den Weg versperrt, nimmt diese sie ohne Rücksicht auf Verluste auf der Motorhaube mit. Die schwangere Joana ist verstört. Als schliesslich ein Video des Vorfalls auftaucht, muss sie sich dem Problem stellen und Anzeige erstatten. Dabei gerät sie in einen Sorgerechtsstreit zwischen der Fahrerin und ihrem Ex-Mann, die sich über die Erziehung ihres Sohnes uneinig sind. Joana sucht immer wieder die Nähe der Familie und freundet sich zaghaft mit dem Teenagersohn an, der das Video des Unfalls aufgenommen hat.

«O Acidente» ist der erste Spielfilm des brasilianischen Filmemachers Bruno Carboni, der hier von einer wahren Begebenheit inspiriert wurde. Der Regisseur, der unter anderem auch an der Netflix-Serie «Unsichtbare Stadt» mitgearbeitet hat, verarbeitet in «O Acidente» zahlreiche Themen wie Gemeinschaft, Beziehungen, Queerness, Familienleben, Toleranz und Akzeptanz und baut dabei vollkommen auf die zurückhaltende Performance seiner Hauptdarstellerin Carol Martins.

An einem Punkt wirft Joanas Partnerin ihr vor, immer ein Geheimnis zu haben, sich nie vollkommen öffnen zu können – besser könnte man diese Figur nicht beschreiben. Auch dem Zuschauenden bleibt die junge Frau ein Rätsel, das sich bis zum Schluss nicht lösen lassen will. Die unterkühlte Ästhetik des Films, der sparsame Einsatz der Musik und die Wortlosigkeit seiner Figuren erschaffen zahlreiche Leerräume, die vom Betrachtenden gefüllt werden müssen. Am prominentesten: Joanas moralisches Dilemma.

Eine Aussage Joanas im Sorgerechtsstreit der beiden getrennten Eltern des Teenagers Maicon (Luis Felipe Xavier) könnte das Blatt nämlich wenden – umso schwerer fällt ihr die Entscheidung. Auch ihr eigenes Leben verläuft nicht ohne Probleme und grosse Veränderungen – noch mehr Themen, die den Fokus des Films nach und nach aufzuweichen drohen, ihn aber auch näher an die Realität rücken. Denn selten verläuft das Leben geregelt und linear, und das tut es auch in «O Acidente» nicht. Wer die Konzentration und Eigeninitiative für die manchmal etwas langwierigen 95 Minuten Laufzeit des Films aufbringt, wird mit einem vielschichtigen Werk voller Widersprüche und poetischer Details belohnt.

21.04.2023

3.5

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