Tiger und Büffel Schweiz 2021 – 95min.
Filmkritik
Kämpfen gegen einen unbesiegbaren Gegner
Der Dokumentarfilm «Tiger und Büffel» sieht den Karatemeister Bruno Koller im Mittelpunkt, der an Demenz erkrankt ist. Filmemacher Fabio Biasio begleitete ihn acht Jahre lang.
«Ich glaube, wenn man Karate genug lange macht, wird es ein Stück von dir selbst.» Dieser Satz, den Bruno Koller zu Anfang des Dokumentarfilms «Tiger und Büffel» über eine Sequenz von kraftvollen, konzisen Bewegungen spricht, klingt nach. Tatsächlich ist Karate für diesen Mann eine Lebensaufgabe und -einstellung, ein Kompass und eine Konfliktlinie – es ist nicht von Bruno Koller trennbar.
Als 21-jähriger fängt Koller in den 1970er-Jahren mit der Kampfkunst an. Mit seiner Frau Helen reist der Appenzeller nach Japan, um nach der Rückkehr eine der ersten Kampfkunstschulen in der Zentralschweiz zu eröffnen. Im Verlauf der Jahre wird Bruno Sensei – Sensei werden Lehrer ab einem bestimmten Grad genannt– zu einem der angesehensten Karatemeister ausserhalb Japans.
Zu Kollers zahlreichen Schülern gehört auch Fabio Biasio, der seinen Lehrer ab 2011 acht Jahre lang bis zu dessen Tod filmisch begleitete. 2009 hatte Bruno Koller die Diagnose Alzheimer erhalten. In seiner hervorragenden Dokumentation fängt Biasio gleichwohl die tiefe Leidenschaft und Hingabe ihres Protagonisten zu Karate ein, wie auch dessen Kampf gegen einen schleichend stärker werdenden Gegner, der unbesiegbar ist.
In beidem, und das ist eine grosse Qualität dieses Films, ist «Tiger und Büffel» bisweilen schonungslos direkt. Die freundschaftliche Verbindung zu Bruno Koller und dessen Umfeld ermöglichte Biasio einen Zugang, der unverhohlen Risse und Brüche in der Familie offenlegt. Kollers uneingeschränkter Fokus auf das Karate und seine dominante Position werden dem Zuschauer früh bewusst. Das macht die Verhältnisse zu seinen Nächsten nicht einfach, etwa das zum ältesten Sohn Giosuel, der seinen Papa stärker als Karatelehrer wahrnahm, denn als Vater.
Mit fortschreitender Demenz sind bei Koller sanftmütigere Züge zu erkennen. Die Auflehnung gegen den Kontrollverlust und die sich verringernde Selbstbestimmung wirken sich jedoch zusehend belastend auf die Familie aus. Hier führt Biasio unmissverständlich die Herausforderungen vor Augen, mit denen sich das Umfeld einer demenzkranken Person konfrontiert sieht.
«Tiger und Büffel» ist eine sorgfältig und mit viel Respekt gefertigte Annäherung an einen speziellen Menschen und dessen Lebensthema, und an die Mitmenschen, die sich sowohl im Karate als auch in der Krankheit miteinander verbunden sehen.
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