Vedette Frankreich 2021 – 100min.
Filmkritik
Mit Descartes und «Carmen» im Kuhstall
Die Filmemacher Claudine Bories und Patrice Chagnard hüten einen Sommer lang die ins Alter gekommene, preisgekrönte Kampfkuh ihrer Nachbarinnen. Dabei entsteht die fesselnde Dokumentation einer mal zögerlich, mal beherzten Annäherung von Mensch und Tier. Sie gipfelt in der Frage, ob eine Frau und eine Kuh miteinander befreundet sein können.
Vedette ist eine prächtige Eringer-Kuh und der Stolz ihrer Besitzerinnen Nicole und Elise. Sie hat die Walliser Kuhkämpfen mehrfach gewonnen und ihre Herde jahrelang angeführt. Um Vedette im Alter zu schonen, nehmen die Bäuerinnen sie nicht mehr mit auf die Alp und bitten die benachbart wohnenden Filmemacher, sich vorübergehend um diese zu kümmern. Was die beiden respektvoll und in originellen Versuchen der Annäherung wie der Kuh vorgelesenen philosophischen Abhandlungen und vorgespielten Opern tun.
Claudine Bories und Patrice Chagnard haben vor «Vedette» etliche sozial-politische Filme gedreht. Von Rindern, nachgerade den kämpferischen Eringern, haben sie keine Ahnung. Vor einigen Jahren aber haben die beiden Franzosen sich im Wallis eine Sommerresidenz zugelegt, von der aus sie die Kühe ihrer Nachbarinnen weiden sehen.
Sie erklären diesen offen, dass das Verhalten der Kühe ihnen ein Rätsel ist. Als Antwort werden sie nicht etwa auf die Tradition der Kuhkämpfe hingewiesen, sondern auf den Charakter der Eringer, die sich als Herde eigenständig hierarchisch organisieren.
In diese Diskrepanz zwischen den der Natur entfremdeten Filmemachern und den in Einklang mit der Natur lebenden Bäuerinnen, schreibt sich «Vedette» ein. Nicht als Hymne auf die prächtige Titel-Kuh. Sondern als sehr ehrlicher und unerwartet witziger Dokumentarfilm, der scharf beobachtet zeigt, wie zwischen Claudine, die sich vor Kühen fürchtet, und Vedette so etwas wie eine Freundschaft entsteht.
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