Wheel of Fortune and Fantasy Japan 2021 – 121min.

Filmkritik

Federleichter Episodenfilm

Walter Gasperi
Filmkritik: Walter Gasperi

Drei Geschichten um jeweils drei Personen, um die Liebe, um Enttäuschungen und um den Zufall. – Trügerisch einfach ist Ryusuke Hamaguchis an die Filme Éric Rohmers erinnernder Episodenfilm, gewinnt aber durch die Konzentration auf die Charaktere und ihre Dialoge grosse Dichte und Tiefe.

Mit «Ryusuke Hamaguchis Kurzgeschichten» überschreibt der 43-jährige Japaner seinen bei der Berlinale 2021 mit dem Grossen Preis der Jury ausgezeichneten achten Spielfilm, der noch vor seinem Meisterwerk «Drive My Car» entstand. «Magie (oder etwas weniger Vorhersehbares)», «Bei offener Tür» und «Noch einmal» sind die drei Episoden sind die Titel der folgenden drei Episoden. Gemeinsam ist ihnen die Fokussierung auf ganz wenige Personen, lange Dialoge in Echtzeit und Beziehungsverwicklungen als Thema.

Begeistert erzählt so Tsugumi (Hyunry) in der ersten Episode nach einem Fotoshooting bei der Taxifahrt ihrer Freundin Meiko (Kotone Furukawa) ausführlich von der Begegnung mit einem Mann und der Erotik des ersten, endlos langen Gesprächs. Rasch erkennt Meiko, dass es sich dabei um ihren Ex-Freund Kazuaki (Ayumu Nakajima) handelt. Er hat sie verlassen, weil sie ihn mehrfach betrogen hat. Doch die Schilderung Tsugumis lässt ihr Begehren neu aufflammen. Der Student Sasaki (Shouma Kai) wiederum will die Karriere eines Professors (Kiyohiko Shibukawa) zerstören, der ihn bei einer Prüfung durchfallen liess. Dazu soll Sasakis verheiratete Geliebte Nao (Katsuki Mori) den Professor in seinem Büro verführen, doch dieser reagiert beherrscht. Und in der letzten Episode begegnen sich schliesslich zwei vermeintliche Klassenkameradinnen (Fusako Urabe und Aoba Kawai) 20 Jahre nach ihrem Schulabschluss zufällig wieder. Im Gespräch entdecken sie aber langsam, dass sie sich getäuscht haben und sie sich in Wahrheit gar nicht kennen.

Trügerisch einfach ist dieser Film, erinnert darin ebenso an die Werke des Südkoreaners Hong Sang-soo wie die Beziehungsfilme Éric Rohmers, den Hong ebenso wie Hamaguchi als ihr Vorbild bezeichnen. Doch gerade durch diese Einfachheit und seinem Minimalismus gelingt es «Wheel of Fortune and Fantasy» in die Tiefe vorzudringen.Trotz der Dialoglastigkeit bleibt dies ein federleichtes Vergnügen, wird nie spröde oder verkopft Hamaguchi nimmt seine Figuren immer ernst, gleichwohl wird sein Film nie dramatisch, sondern ist fast schon verspielt. Auch diese Leichtigkeit verbindet diesen Beziehungsreigen mit den Filmen Rohmers oder auch mit «Das Mädchen und die Spinne» der Brüder Ramon und Silvan Zürcher.

Nicht grosse Geschichten sind eben für einen beglückenden und berührenden Film nötig, sondern vielmehr der genaue Blick und das Gespür für Figuren, für ihre Sehnsüchte, ihre Einsicht, dass sie etwas verpasst haben, und für ihren Versuch nochmals eine Wende in ihrem Leben herbeizuführen.

15.03.2022

4

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