En attendant Bojangles Frankreich 2021 – 125min.

Filmkritik

Der Walzer der einsamen Seelen

Théo Metais
Filmkritik: Théo Metais

Régis Roinsard, der den gleichnamigen Roman von Olivier Bourdeaut adaptiert hat, beginnt 2022 mit einer verrückten Liebesgeschichte zu einer Melodie von Nina Simone. Der Filmemacher lässt ein wildes Tandem, das von Virginie Effira und Romain Duris getragen wird, in einem rasanten, kitschigen und (fast) herzerwärmenden Gefühlswalzer aufeinandertreffen.

1958 trifft Camille (Virginie Effira) Georges (Romain Duris) an der Riviera inmitten der reichvollen Gesellschaft. Die Flamme ist sofort entfacht und die Hochzeit lässt nicht lange auf sich warten. Die beiden haben eine blühende Fantasie und erfinden tausend und eine Geschichte, um das traurige Schicksal der gewöhnlichen Realitäten abzuwenden. Aus ihrer Liebe wird ein Wunderkind geboren, Gary (Solan Machado-Graner), der sich bereits als Kleinkind als grossartiger Geschichtenerzähler erweist. Camille und Georges haben eine raffinierte, sensible Idylle im Land der Freidenker aufgebaut, was sich auch in ihren besonderen Freundschaften und ihrer Verve in Prosa widerspiegelt.

Der erste Roman des Schriftstellers Olivier Bourdeaut war 2016 ein Erfolg in den Buchläden. Es folgten unzählige Preise und die Verfilmung konnte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Und so machte sich der Filmemacher Régis Roinsard an die Arbeit. Der Regisseur bleibt dem von ihm so geschätzten Dekor der 50er-Jahre treu und enthüllt Virginie Effira und Romain Duris in einer «Versammlung von Sargträgern», wie sie es nennen, vor dem öl- und türkisfarbenen Horizont der Riviera. Er behauptet, ein preussischer Reiter zu sein und die «Fliegenharpune» erfunden zu haben. Er macht sich über alles lustig und das macht sie glücklich. Ihre Romanze nimmt viele Namen und Formen an und ist von einer leichtfüssigen Verrücktheit übersät.

«Wenn die Realität banal und traurig ist, erfinde mir eine schöne Geschichte» ein Spruch, der 2016 zu lesen und in diesem Film zu hören ist. Ein Mantra für diese Familie, die wie in einer vergangenen Epoche lebt. Eine tanzende, sich drehende Verbindung für zwei sonnigen Turteltauben, die ihrem Sohn erzählt wird. Hier nimmt sich Régis Roinsard Freiheiten, emanzipiert sich von der ursprünglichen Struktur und beginnt seine Erzählung mit den Schwärmereien des Vaters. Virginie Effira und Romain Duris setzen ihre atemberaubende Filmografie fort und spielen sich in diesem Register schön die Bälle zu. Gleiches gilt überraschenderweise für Solan Machado-Graner.

Es ist ein poetisches Zittern, eine Suche nach Weisheit inmitten des Skurrilen, während die dunklen Engel des Wahnsinns durch die Szenen flanieren.«En attendant Bojangles» verströmt den Charme der «Goldene Zwanziger» und ist die sanfte Erzählung dieses einzigartigen Lebens. Aber vielleicht wäre es besser gewesen, das Kind sprechen zu lassen. So strahlend und sorgfältig die Inszenierung auch sein mag, enthüllt diese Geschichte einen seltsamen nostalgischen Ton.

Mit einer abrupten und aussichtslosen Moral ist es auch nicht sicher, ob die Darstellung des Paares und seiner literarischen Fantasien völlig modern und inspirierend ist. Und so erfreulich der erste Teil ist, beendet Régis Roinsard seinen Film mit Sicherheit viel zu spät. Wenn Sie aber auch manchmal das Ende von Filmen und Romanen vergessen, dann ist «En attendant Bojangles» vielleicht auch etwas für Sie.

Übersetzung aus dem Französischen von Théo Metais durch Alejandro Manjon.

18.07.2022

3

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