Nach den vergangenen Verfilmungen von «L'événement» (2021) und «Passion Simple» (2020) lässt sich die Nobelpreisträgerin für Literatur 2022 Annie Ernaux an der Seite ihres Sohnes David Ernaux-Briot auf ein Filmexperiment ein. Im Voice-over gibt Annie Ernaux einen Rückblick auf ihr persönliches Archiv, das aus dem Camcorder der Familie stammt.

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1972 gehört das Ehepaar Ernaux zur Mittelschicht. Zusammen mit ihren beiden kleinen Söhnen lassen sie sich in Annecy nieder. Sie beschliessen, einen Camcorder von Bell & Howell zu kaufen und im Super-8-Format ihr Leben festzuhalten. Der Spass an dem neuen Gerät, die Sommerferien und Familienfeste werden auf das Filmmaterial gebannt. Die Stimme der Schriftstellerin begleitet die Aufnahmen, die den Zeitraum zwischen 1972 und 1981 abdecken.

Das Unterfangen nähert sich dem Verfahren und dem Stil von Ernaux an. Wie in ihrem autobiografischen Roman «Die Jahre» werden persönliche Dokumente nicht nur aus der Perspektive des Privatlebens kommentiert. Die Archive werden durch eine Epoche und kulturelle Bezüge hindurch beleuchtet. Dazu gehören unter anderem Reisen nach Spanien nach Francos Tod. Aber die Methode klebt so sehr an der literarischen Vorlage, dass man sich fragt, ob die bewegten Bilder einen echten Mehrwert bieten.

Tatsächlich hat Annie Ernaux die Fotografie lange Zeit wie ein Palimpsest verwendet. Eine Methode, um die Vergangenheit aus der Gegenwart zu rekonstruieren. Die Bemerkungen der Stimme aus dem Off präzisieren Elemente, die im Bild nicht sichtbar sind. An den Nachmittagen filmt Ernaux ihre kleinen Kinder. Sie tut dies, während sie heimlich in ihrem Zimmer an dem schreibt, was ihr erstes veröffentlichtes Buch werden sollte: «Les Armoires vides» («Die leeren Schränke»). An der Wende zu den 1980er-Jahren stellt sie fest, dass der Camcorder beiseite gelegt wird - ein Zeichen dafür, dass das Ehepaar Ernaux seine Gewohnheiten ändert und älter wird.

Mit einem soziologischen Ansatz setzt «Les Années Super 8» die Methode fort, die Annie Ernaux immer wieder in ihren Texten einsetzt. Eine Verlagerung, die eine akribischere Behandlung auf der grossen Leinwand verdient hätte.

Übersetzung aus dem Französischen durch Maria Engler